Kabuler Botschaften
Tödlicher Talibananschlag nach Afghanistan-Rede Obamas
Unter größter Geheimhaltung hatte sich Barack Obama einen symbolträchtigen Termin für seinen dritten Besuch am Hindukusch ausgesucht: Gestern vor einem Jahr tötete ein US- Kommando Osama bin Laden in seinem pakistanischen Versteck. Und vor Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt Bagram unweit Kabuls versuchte sich der Präsident aus diesem Anlass in Politpoesie: »Wir können das Licht eines neuen Tages am Horizont sehen« - was heißt: »Unser Ziel ist es, Al Qaida zu zerstören, und wir sind auf dem Weg, genau das zu tun.« Nach verlustreichen Jahren stehe das Terrornetzwerk vor der endgültigen Zerstörung, tönte Obama in seiner in den USA live zur besten Sendezeit übertragenen Rede. Nach sieben Stunden war der Blitzbesuch beendet. Obamas designierter republikanischer Herausforderer Mitt Romney warf dem Präsidenten umgehend vor, die Liquidierung Bin Ladens für den Wahlkampf zu missbrauchen.
Kaum war Obama abgehoben, wurden in Kabul mindestens elf Menschen durch ein Selbstmordattentat per Autobombe und bei einem Angriff auf einen Wohnkomplex westlicher Ausländer getötet. Die Taliban übernahmen die Verantwortung und betonten, dass der Anschlag keine Rache für die Ermordung Bin Ladens gewesen sei, sondern eine »Botschaft an Obama«, der in Afghanistan unerwünscht sei. Die Islamisten kündigten für heute den Beginn einer landesweiten gewaltsamen »Frühjahrsoffensive« an, die sich vor allem gegen »ausländische Besatzer, ihre Vertragspartner und alle im militärischen und geheimdienstlichen Bereich tätigen Helfer« richten werde, wie es auf ihrer Internetseite heißt.
In der Nacht zum Mittwoch hatte Präsident Obama mit seinem afghanischen Amtskollegen Hamid Karsai ein zunächst zehn Jahre laufendes strategisches Partnerschaftsabkommen unterzeichnet, das den Einsatz von US-amerikanischen Soldaten am Hindukusch nach dem offiziellen Abzug der ausländischen ISAF-Truppen Ende 2014 regelt. Allerdings ist jetzt schon klar, dass weiter eine gewisse Zahl von Kampfverbänden der USA in Afghanistan verbleiben wird - zu Ausbildungszwecken und für »Schutzaufgaben«, was bewaffnete Operationen gegen Terroristen einschließen soll. Wie viele genau und welche Kosten entstehen, darüber herrscht noch Schweigen; Einzelheiten für die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an Kabul sollen beim NATO-Gipfel Mitte Mai in Chicago festgelegt werden. Washingtoner Regierungsvertreter sprachen von bis zu 20 000 Soldaten. Afghanistan soll den von den USA gewährten Sonderstatus eines »wichtigen Nicht-NATO-Verbündeten« erhalten. Karsai glaubt, dass der Pakt eine »gleichwertige Partnerschaft« zwischen beiden Ländern besiegele. Kommentar Seite 4
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