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Hollande auf der Zielgeraden

In Frankreich könnte wieder ein Sozialist Präsident werden

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.
In den zweiten und entscheidenden Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahl am Sonntag geht der sozialistische Herausforderer François Hollande als Favorit. Allerdings ist der amtierende Staatschef Nicolas Sarkozy noch nicht geschlagen. Der muss auf die Unentschlossenen hoffen - und auf jene Wähler, die in der ersten Runde vor zwei Wochen für die Rechtsextreme Marine Le Pen stimmten.

Im vergangenen Oktober wollten noch 62 Prozent der befragten Wähler für François Hollande votieren und 38 Prozent für Nicolas Sarkozy. Mitte April lag das Verhältnis bei 56 zu 44 und in der letzten Umfrage zwei Tage vor dem Wahltag bei 52,5 zu 47,5. Das zeugt von der ungeheuren Energie, die Sarkozy entwickelt hat, um seine Abwahl zu verhindern - dabei scheute er auch vor hasserfüllter Demagogie nicht zurück. Im ersten Wahlgang am 22. April hatten Sarkozy 27,08 und Hollande 28,63 Prozent der Stimmen geholt. Die notwenige absolute Mehrheit hatten beide damit klar verfehlt.

Der Präsident hat es vermieden, auf die Bilanz seiner fünfjährigen Amtszeit einzugehen, die der Grund für die Ablehnung ist, der er sich gegenübersieht. Statt dessen konzentrierte er sich darauf, seinen Herausforderer zu diskreditieren, indem er ihn als blass, unentschlossen und wankelmütig darstellte. Vor allem schoss sich Sarkozy auf das Wirtschafts- und Sozialprogramm des sozialistischen Kandidaten ein, der »in verantwortungsloser Weise die Ausgaben erhöhen« und »alle Bemühungen um eine Senkung der Staatsverschuldung zunichtemachen« wolle.

In der Fernsehdebatte der beiden Kandidaten am Mittwoch hielt Hollande den Attacken von Sarkozy stand und konnte sogar einen Punktvorteil erzielen, als er in einem eindrucksvollen Monolog in 15 Punkten aufzählte, wodurch sich seine Präsidentschaft von der seines rechten Amtsvorgängers unterscheiden werde: keine absolute Alleinherrschaft, keine Ämter und Privilegien für persönliche Freunde, keine Maßhaltepolitik auf Kosten der sozial Schwächsten, keine Steuerungerechtigkeit, um einige zu nennen. Beobachter schätzen dennoch, die Debatte sei unentschieden ausgegangen.

Charakteristisch für die beiden Kandidaten war, wie sie in den vergangenen zwei Wochen gegenüber den 18 Prozent der Wähler auftraten, die im ersten Wahlgang für Marine Le Pen, die Parteivorsitzende der rechtsextremen Front National (FN), gestimmt hatten. François Hollande, der zahlreiche von Schließung bedrohte Betriebe oder sozial benachteiligte Regionen besuchte, betonte bei seinen Auftritten, dass er die Not und den Protest verstehe, der sich in diesem Votum ausdrückt. Seine Wirtschafts- und Sozialpolitik als nächster Präsident werde die Situation, die zu solchen Reaktionen geführt hat, grundlegend ändern.

Demgegenüber ging Sarkozy auf die ausländerfeindlichen Vorurteile der Rechtsextremen ein und versprach, die Einwanderung drastisch zu drosseln und die Bedingungen für die Einbürgerung legal oder die »Regularisierung« illegal eingereister Ausländer zu verschärfen. Vor allem machte er Stimmung gegen den Vorschlag von Hollande, auch den Ausländern aus Nicht-EU-Ländern das Wahlrecht bei Kommunalwahlen zu gewähren. Das Buhlen des Präsidenten und seiner Helfer in der Regierungspartei UMP um die Rechtsextremen gipfelte in einem Interview von Verteidigungsminister Gérard Longuet für die rechtsextreme Zeitschrift »Minute«. Darin erklärte er, die Front National von Marine Le Pen sei nicht mehr mit der durch ihren Vater gegründeten Partei zu vergleichen - und mit dieser FN sei ein Dialog möglich und wünschenswert.

Das hat nicht nur in der Opposition, sondern selbst bei vielen UMP-Politikern zu empörten Reaktionen geführt. Für François Bayrou, den Führer der Zentrumspartei Medem, war Longuets Äußerung der letzte Anstoß, öffentlich die »Abkehr von den politischen und moralischen Werten des Gaullismus und der sozial gesinnten Rechten« zu verurteilen und zu erklären, dass er persönlich am Sonntag für François Hollande stimmen werde. Bayrou, der beim ersten Wahlgang kandidiert hatte, ist damit in der Geschichte der 5. Republik der erste Parteiführer des Zentrums, der bei einer Präsidentschaftswahl im zweiten Wahlgang für ein Votum zugunsten des linken Kandidaten Stellung bezieht.


Druck von links

Dass die Mitglieder und Sympathisanten der Linksfront aus Kommunisten und Partei der Linken im zweiten Wahlgang massiv für François Hollande stimmen werden, scheint ausgemacht. Umfragen zufolge sind bereits 86 Prozent der Mélchenchon-Wähler der ersten Runde dazu entschlossen. Zwar hat Jean-Luc Mélenchon betont, dieses Votum erfolge »ohne Vorbedingungen« und sei nicht das Ergebnis von Verhandlungen. Doch kann man davon ausgehen, dass er doch zumindest mit Zugeständnissen von Hollande an die Kräfte links von den Sozialisten rechnet. Er, ebenso wie FKP-Chef Pierre Laurent und andere Linkspolitiker, haben wiederholt deutlich gemacht, dass sie eine künftige Linksregierung nur mittragen oder gar eigene Minister stellen werden, wenn sie sich mit ihr und ihrer Politik identifizieren können und ihre eigenen Positionen angemessen berücksichtigt sehen. Ralf Klingsieck

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