Abrechnung in Athen

Vorgezogene Neuwahlen inmitten der Euro- und Wirtschaftskrise

Bei den Parlamentswahlen am Sonntag in Griechenland wird über die Regierung befunden, die das Übergangskabinett von Lucas Papademos ablöst. Wie auch immer sie aussehen wird - eine Abkehr vom Euro ist trotz des Brüsseler Spardiktats unwahrscheinlich.

Die Krise in Griechenland hat tödliche Folgen: »Aus Daten, die uns vorliegen, ist die Zahl der Suizide in den letzten drei Jahren schätzungsweise um etwa 20 Prozent gestiegen«, sagt der Psychiater Vassilis Kontaxakis. Man könne jedoch nicht klar definieren, inwiefern allein die Finanzkrise dafür verantwortlich sei. Athens Gesundheitsminister Andreas Loverdos sprach vor einigen Wochen sogar von 40 Prozent mehr Selbsttötungen.

In diesem Kontext, den Antonis Samaras als »nationale Depression« bezeichnete, finden am Sonntag vorgezogene Parlamentswahlen statt. Samaras ist nicht irgendwer, sondern der Chef der favorisierten konservativen Partei Nea Dimokratia (ND). Doch auch die ND wird allen Umfragen zufolge nicht annährend genügend Mandate gewinnen, um im 300 Sitze umfassenden Parlament die gewünschte Alleinregierung stellen zu können. Wer in Griechenland die seit November amtierende Regierung des parteilosen Lucas Papademos ablöst, steht in den Sternen.

Papademos, Lieblingskind von Brüssel und Berlin, hat derweil seit Amtsantritt kräftig abgewirtschaftet. Die Kürzungen bei Löhnen, Renten und staatlichen Dienstleistungen trieben die Arbeitslosigkeit weiter in die Höhe auf Rekordwerte von rund 22 Prozent und die Wirtschaftsleistung weiter in den Keller. Damit brachen die Einnahmen stärker ein als erwartet. Um die auseinanderklaffende Schere zu schließen, ist Griechenland aufgefordert, unmittelbar nach den Wahlen neue Sparmaßnahmen in Höhe von über 11 Milliarden Euro zu beschließen. Und selbst der Schuldenschnitt von immerhin über 100 Milliarden Euro im Rahmen einer Umschuldung von 199 Milliarden Euro wird in der Bevölkerung nicht als Erfolg gewertet. Denn dafür werden die heimischen Banken vom Staat gestützt - jene Banken, die schon seit langem keine Kredite mehr an Häuslebauer und Kleinunternehmer vergeben. Die Sozialversicherungskassen werden dagegen mit ihren Verlusten in zweistelliger Milliardenhöhe hängen gelassen.

Kein Wunder also, dass die anfängliche Popularität des Ex-Bankers im Verlauf seines halben Jahres als Regierungschef drastisch abgenommen hat. Bereits Mitte Dezember hielten sich die positive und die negative Meinung über Papademos mit 39 zu 40 Prozent die Waage. In einer im Februar erhobenen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes ALCO bezeichneten ihn 61,7 Prozent der Befragten nunmehr sogar als »von den Gläubigern zur Vertretung ihrer Interessen lancierten Premier«. Nur 27 Prozent waren der Meinung, Papademos habe die Regierungsverantwortung »in schwierigen Zeiten und dem aufrichtigen Versuch, das Land zu retten«, übernommen.

Seither hat der gute Ruf Papademos‘ eher noch mehr Schaden gelitten. Wenn er ab Sonntag keine Rolle in der Politik spielen sollte, werden ihm nur noch wenige Griechen eine Träne nachweinen. Papademos seinerseits kann wieder seinem Hobby nachgehen: dem Besuch von Opern. Wer in Athen ab Sonntag in der Politik die erste Geige spielt, ist nicht absehbar. Brüssel und Berlin werden indes sicher darauf drängen, dass weiter ein Streichkonzert gespielt wird.

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