Hollywoodreife Inszenierung
Maredo-Beschäftigte klagen gegen Entlassung / Anberaumte Verhandlung auf Ende Juni verlegt
Das Maredo-Management hatte Ende November 2011 die überrumpelte Belegschaft in den Geschäftsräumen festgehalten und zur Unterschrift unter eine vorgefertigte Eigenkündigung gedrängt. Knapp die Hälfte der Anwesenden widersetzte sich und wehrt sich jetzt vor Gericht gegen den Rausschmiss. Da Betriebsräte einen besonderen Kündigungsschutz genießen, wollte der Maredo-Konzern am Dienstag die fehlende Zustimmung der Betriebsräte zu ihrer eigenen Kündigung durch einen Gerichtsbeschluss ersetzen lassen. Die Betriebsratsmitglieder bekamen Ende November Hausverbot und sind von ihrer Arbeit freigestellt. Nach einer richterlichen Verfügung dürfen sie mittlerweile das Gebäude wieder betreten, um der Betriebsratsarbeit nachzugehen.
Da über 70 Gewerkschafter und Aktivisten eines Solidaritätskomitees am Dienstag den drei vor Gericht stehenden Maredo-Betriebsräten den Rücken stärken wollten, musste die Verhandlung in den größten verfügbaren Raum innerhalb des Gerichtsgebäudes verlagert werden. Das hat es dem Vernehmen nach in der Geschichte des Frankfurter Arbeitsgerichts noch nicht gegeben.
Einer der »Schlachtenbummler«, der Frankfurter NGG-Gewerkschaftssekretär Sven Hildebrandt, fühlte sich »wie in einem schlechten Hollywood-Film«, als er den Auftritt der fünf Maredo-Anwälte vor Gericht verfolgte. Diese waren mit Laptops, Beamer und Leinwand aufmarschiert und wollten Videoaufnahmen von heimlich installierten Kameras in der Filiale Fressgass präsentieren - aus ihrer Sicht Beweisstücke für wiederholten Diebstahl von Lebensmitteln durch Belegschaftsangehörige. Zur Vorführung kam es allerdings nicht. Dafür wiederholten die Maredo-Vertreter die Behauptung, Mitarbeiter hätten in den Geschäftsräumen Diebstahl begangen und Lebensmittel verzehrt, ohne diese ordentlich zu verbuchen. Betroffene und NGG halten die Vorwürfe für unberechtigt.
Auch dem ebenfalls anwesenden NGG-Bundesstreikbeauftragen Jürgen Hinzer kam alles sehr bekannt vor. Er hatte bereits vor über zehn Jahren hautnah verfolgt, wie die Fastfood-Kette McDonald's im Rhein-Main-Gebiet mit fadenscheinigen Begründungen komplette Niederlassungen dicht machte, um gut organisierte Belegschaften loszuwerden und bestehenden Betriebsräten den Boden zu entziehen. In einem Fall wurde eine Filiale unter dem Vorwand einer Renovierung geschlossen und die komplette Belegschaft gefeuert.
»Die wollen eine betriebsratsfreie Zone schaffen und den Laden mit billigeren Arbeitskräften weiterführen«, bringt es Hinzer auf den Punkt. Denn die überwiegend »altgedienten« und gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten waren bislang tariflich besser eingruppiert als die »Neuen«, die an ihrer Stelle mit 7,50 Euro Stundenlohn eingesetzt werden. »Wir setzen uns als Betriebsrat auch für ihre Rechte ein und haben gegen ihre falsche Einstufung Widerspruch eingelegt«, so der Betriebsratsvorsitzende Mimoun Bouhout.
Weil Bouhout und seine Mitstreiter es weiterhin für wichtig halten »an die Öffentlichkeit zu gehen und sich nicht kleinkriegen zu lassen«, engagieren sich in einem Solidaritätskomitee, das wöchentlich für die Rücknahme der Massenkündigungen in der Innenstadt demonstriert.
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