Werbung

Hunderttausende empören sich in Spanien

Demonstrationen in 80 Städten - Polizei löst friedliche Protestversammlungen auf

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor einem Jahr hatte die Bewegung »15-M«, wie sie in Spanien wegen ihres Beginns am 15. Mai genannt wird, weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Am Sonnabend hat sie sich eindrucksvoll öffentlich zurückgemeldet.

»Wir wollen keine Ware in den Händen korrupter Politiker, Banker und Spekulanten sein«, machten etwa 1000 »Empörte« am Sonnabend im baskischen San Sebastián deutlich. An diesem grauen Frühlingstag fand hier eine von 80 Demonstrationen statt, mit denen die Empörten-Bewegung der »Indignados« in Spanien ihren Jahrestag beging. In San Sebastián war die Beteiligung in diesem Jahr größer als im Vorjahr, und das galt auch für Bilbao und die übrigen baskischen Städte.

Die Solidität der Bewegung wurde besonders in der katalanischen Metropole Barcelona deutlich, wo allein am Sonnabend mehr Menschen demonstriert haben dürften als vor knapp einem Jahr auf 50 Demonstrationen zusammen. Die katalanische Polizei spricht von 45 000 Teilnehmern, die Veranstalter dagegen von mehr als 150 000. Zahllose Menschen gingen auch in der Hauptstadt Madrid auf die Straße und zeigten, dass sie sich von diesem politischen System nicht mehr repräsentiert fühlen. Insgesamt vier Demonstrationen bewegten sich auf das Zentrum zu, auf den zentralen Platz waren alle Blicke gerichtet. Die »Puerta del Sol« ist das Wahrzeichen der Bewegung. Die Sonne (Sol) der Hoffnung sei hier für viele wieder aufgegangen. Nach den Demonstrationen, die das Forum »Echte Demokratie jetzt« organisiert hatte, wollten viele ihre Empörung im letzten Jahr dauerhaft zeigen und blieben auf dem Platz. Das Beispiel machte schnell im ganzen Land und weit darüber hinaus Schule.

Am Sol werden nun die Kräfte gemessen, nachdem die rechte Regierung unter Mariano Rajoy angekündigt hatte, keine Protestlager zu dulden. Die Versammlung wurde nur bis 22 Uhr genehmigt, dabei strömten zu diesem Zeitpunkt noch die Demonstrationszüge auf den überfüllten Platz. Während die Polizei 35 000 Teilnehmer zählte, sprachen die Veranstalter von gut 100 000 Teilnehmern.

»Sie nennen es Demokratie und es ist gar keine«, ertönten immer wieder Sprechchöre. Denn die Finanzmärkte diktierten die Politik, die aber niemand gewählt habe. Hunderttausende, die ihre Hypothek oder ihre Miete nicht mehr bezahlen können, werden aus den Wohnungen geworfen, während Banken mit Steuermilliarden gestützt werden, wurde überall auf den Versammlungen erneut kritisiert.

Zunächst glaubten Aktivisten wie Alberto Sicilia, die Regierung werde die für 96 Stunden angekündigte Protestversammlung nicht auflösen. Als der Forscher gegen fünf Uhr den Heimweg antrat, begann die Polizei rabiat, die Demonstranten vom Platz zu zerren. »Dabei haben sie uns auch geschlagen und getreten«, erklärte Isabel Rubio, Sprecherin von »Jugend ohne Zukunft«. Obwohl nur passiver Widerstand geleistet wurde, sind 18 Personen festgenommen worden, die am Montag dem Haftrichter vorgeführt werden. Ihnen drohen Haftstrafen zwischen zwei und vier Jahren.

Zu ähnlichen Szenen kam es auch in Palma de Mallorca, Valencia, Sevilla und Cadiz. In Granada dagegen kampierten die Nacht über etwa 100 Menschen auf dem zentralen Platz, und auch in Barcelona blieb die Versammlung unbehelligt.

Die Empörten finden sich nicht mit den Räumungen ab. Nachdem die Puerta del Sol bis gegen zehn Uhr gesperrt war, strömten danach sofort wieder Empörte auf den Platz. Im ganzen Land wurde gestern mit dem Ziel demonstriert, die Plätze friedlich zu besetzen, um bis zum Jahrestag am 15. Mai die Diskussionen zu vertiefen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

- Anzeige -
- Anzeige -