Rassismus an der Tür?

Daniel Bartel ist Berater beim Antidiskriminierungsbüro Sachsen

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Herr Bartel, das Amtsgericht Leipzig hat die Einlasskontrollen einer Diskothek der Stadt als diskriminierend verurteilt. Ist Leipzig ausländerfeindlich?
Bartel: Das Phänomen, dass Menschen aufgrund ihrer ihnen zugeschriebenen Herkunft nicht in Diskotheken kommen, ist eines, dass in Dresden genauso existiert wie in Köln, Berlin oder Hamburg. Im ländlichen Raum auch in einer stärkeren Intensität. Ich denke nicht, dass Leipzig da eine besondere Stellung einnimmt.

Wie ist dann zu erklären, dass allein am Amtsgericht Leipzig offenbar mehrere Klagen zu solchen Vorfällen vorliegen? Gegen insgesamt fünf weitere Leipziger Diskotheken, die ihre Gäste diskriminiert haben sollen?
Das hat damit zu tun, dass es vor Ort hier Menschen gibt, die diese Form von Diskriminierung sichtbar machen. Als Antidiskriminierungsbüro unterstützen wir Betroffene dabei, eine Klage anzustreben. Außerdem haben wir zusammen mit dem Referat ausländischer Studierender der Uni Leipzig letzten Herbst Tests durchgeführt.

Sechs von elf Diskotheken verweigerten vermeintlich nicht deutsch aussehenden Personen den Zutritt. Was sind das denn für Diskothekenbetreiber und Gastwirte, die zahlende Gäste nach Ihrer Herkunft oder Hautfarbe auswählen?
Normale. Wir haben nicht gezielt die ganz »schlimmen« Discos herausgesucht. Der Test bezog sich im Wesentlichen auf alle Clubs, die an dem Abend in der Leipziger City geöffnet hatten. In gewisser Weise ist das ein Querschnitt.

Wirft das nicht ein schlechtes Licht auf die Freundlichkeit Leipzigs?
Definitiv. Es zeigt vor allem die Alltäglichkeit von Rassismus. Ein Argument wie: »Na ja, die machen doch auch wirklich mehr Probleme«, wird von vielen Mehrheitsdeutschen geteilt. Die Clubbetreiber argumentieren nicht, indem sie sagen, »Ausländer« seien minderwertig. Es ist kein geschlossenes rechtes Weltbild. Vielmehr sind es Ideen von einer erhöhten Aggressivität, Kriminalität oder Sexismus, die sehr breit konsensfähig sind. Man verknüpft die zugeschriebene oder tatsächliche Herkunft eines Menschen mit vermeintlichen Charaktereigenschaften.

Das heißt, die anderen, nicht diskriminierten Gäste erheben keinen Einspruch gegen solche Praktiken oder beteiligen sich an dieser Art von Diskriminierung?
Ja, ich war bei Tests dabei. Es war öfter der Fall, dass da auch eine Schlange stand, die die Szene beobachtet hat. Testpersonen wurden mit fadenscheinigen Argumenten abgewiesen wie: Dein Visum gilt nur noch ein paar Monate, damit kommst du hier nicht rein. Oder es wurde ihnen gesagt: Wir haben eine Kleiderordnung, mit Jeans und Turnschuhen kommt man nicht rein. Ich, als eine Vergleichsperson, die dahinter stand, war als nächstes an der Reihe, ich habe auch Jeans und Turnschuhe an, komme aber anstandslos rein. Hinter uns standen Leute, die das beobachtet haben. Und für die war das eine Form von Normalität. Da hat niemand gesagt: Moment mal, das ist für mich nicht in Ordnung. In einem Club meinte die Security, sie hätten eine Quote und wollten nicht zu viele Ausländer drin haben. »Das ist rassistisch«, sagte ich. Die Leute hinter mir haben weggeguckt und sind dann in den Club hineingegangen.

Interview: Thomas Blum

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