Schuld und Software
Würzburger Juristen beschäftigen sich mit der Frage, ob ein Roboter bestraft werden kann
Würzburg. Leise gleitet der Senioren-Scooter durch den Park. Darauf sitzt ein alter Mann - er hat den Automatikmodus eingeschaltet. Zum Arzt steuert ihn eine Software, Sensoren haben die Herrschaft übernommen. Plötzlich kommt ein Radfahrer angeschossen, der intelligente Scooter kann nicht mehr ausweichen, es knallt. Wer ist schuld, wer haftet? Der Mann auf dem Scooter? Der Programmierer? Niemand? Richter sind ratlos.
Paro, die Robbe
Weil es auf diese Fragen bisher keine Antworten gibt, hat der Strafrechtsprofessor Eric Hilgendorf an der Uni Würzburg die Forschungsstelle »RobotRecht« gegründet. Sie soll klären, was passiert, wenn ein Roboter einen Fehler macht, bei dem jemand oder etwas zu Schaden kommt. Das Projekt ist bundesweit einmalig, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt die Arbeit mit 200 000 Euro. Noch in diesem Jahr will das Team aus Juristen und Informatikern der Europäischen Union Vorschläge machen. Ein sogenanntes Grünbuch als Diskussionsgrundlage für künftige Richtlinien ist in Planung.
»Roboter« - schon das Wort löst bei vielen Ängste aus. Im Kino kommt es regelmäßig zum Kampf: Mensch gegen Roboter, Gefühl gegen Programm. Forscher sprechen deshalb lieber von »autonomen Systemen«. »Die Roboter der Zukunft sind keine Wesen, die Menschen ähneln«, sagt Klaus Schilling, Professor für Robotik und Telematik an der Universität Würzburg. »Aber immer mehr Maschinen handeln autonom.« Schon heute parken viele Autos selbstständig ein. In Japan unterhält ein kleiner Roboter mit großen Augen alte Menschen - und das rund um die Uhr. Paro sieht aus wie eine Robbe: tapsige Pfoten, weiches Fell, schwarze Schnauze - viele Besitzer lieben ihre Robbe. Doch der Einsatz ist heikel, denn Paro soll einen Menschen ersetzen: »Wird hier nicht die Menschenwürde verletzt?«, fragt der Jurist Hilgendorf. Noch hat er keine Antwort.
Dass ein Roboter vor Gericht zur Rechenschaft gezogen wird, hält Hilgendorf für ausgeschlossen: »Nur wer schuldfähig ist, wird auch bestraft«, sagt der Rechtsexperte. Roboter gehören nicht dazu - weder erkennen Maschinen ihre Fehler, noch lernen sie daraus.
Doch auch abgesehen von der Schuldfrage wirbeln Roboter das deutsche Rechtssystem durcheinander. In den geltenden Paragrafen kommen autonome Maschinen bisher nicht vor, das schränkt deren Einsatzgebiete stark ein. »Das Straßenverkehrsrecht ist genauso betroffen wie der Datenschutz«, sagt der Würzburger Jurist. Schon ein Scooter sorgt für Probleme. »Niemand wollte unser Fahrzeug versichern«, berichtet sein Erfinder Schilling.
Hersteller verunsichert
Auch für Ärzte sind die autonomen System ein rechtliches Problem: Überwachen Krankenroboter zum Beispiel Patienten und senden Daten an eine Zentrale, ist der Rechtsbruch offensichtlich. »Diese Informationen dürfen gar nicht aufgenommen werden«, sagt Hilgendorf - Arztgeheimnis, das sah schon der antike Hippokrates so.
Weil diese Rechtslage nicht geklärt ist, zögern auch die Hersteller mit dem Verkauf. Im niedersächsischen Lehrte tüftelt der Ingenieur Sebastian Behling gerade an autonomen Fahrzeugen: Ohne Fahrer sollen Roboter über ein Firmengelände sausen und nicht wie bisher nur mit Schrittgeschwindigkeit über den Hof zuckeln. Die Götting AG, für die Behling arbeitet, entwickelt die Sensoren dazu. Doch die Rechtslage für die schnellen Roboter ist unsicher. »Wir wissen nicht, ob wir unsere Entwicklung später auch verkaufen können«, sagt der Projektleiter. An den Einsatz autonomer Fahrzeuge auf der Straße wagt Behling gar nicht zu denken.
Viele Erfindungen verschwinden also wieder in der Schublade - aus Angst vor rechtlichen Problemen. In Südkorea gibt es deshalb ein eigenes Robotergesetz. »Für Deutschland ist das aber nicht notwendig«, sagt der Strafrechtler Hilgendorf. Anders als in Asien werden Roboter hier nicht als selbstständige Personen angesehen.
Dem Würzburger Juristen Hilgendorf zufolge wäre eine Roboterversicherung eine passende und einfache Lösung. Sollte es krachen, springt die Versicherung ein. »Die rechtlichen Veränderungen wären minimal«, sagt der Jurist.
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