Bürger für Bäume
Volksentscheid verhindert Ausbau eines Einkaufszentrums in Hamburg-Eidelstedt
Eidelstedt ist ein grüner, unspektakulärer Stadtteil mit über 30 000 Einwohnern: Nicht gerade nahe an der City, aber auch nicht ganz weit draußen. In der Stadtteilmitte steht das zweistöckige Eidelstedt Center, das Läden unterschiedlichster Art versammelt. Zur Erweiterung des Einkaufszentrums soll nach den Vorstellungen der Kapitalanlagegesellschaft Meag eine Glas- und Betonkonstruktion auf einem 2600- Quadratmeter-Areal entstehen, auf dem derzeit noch 17 Bäume und ein Spielplatz stehen.
So sieht es zumindest der Bebauungsplan Eidelstedt 71 vor. Dagegen wehrte sich die Initiative »Grünes Zentrum Eidelstedt«, die mit 10 000 gesammelten Unterschriften einen Bezirksbürgerentscheid durchsetzte. In der Bezirksversammlung Eimsbüttel, die für Eidelstedt auf kommunaler Ebene zuständig ist, stritt die dreiköpfige LINKEN-Fraktion lange allein für den Erhalt von Spielplatz und Bäumen. Während des Bürgerentscheids schlossen sich die Grünen dann der Initiative an.
Bis zum 24. Mai konnten die Bewohner des zuständigen Bezirks Hamburg-Eimsbüttel abstimmen. Die Beteiligung lag mit 27,6 Prozent außergewöhnlich hoch, über 54 000 Bezirksbewohner entschieden mit, fast ein Rekordwert. Nur eine Abstimmung über die (bejahte) Ansiedlung von Ikea in Hamburg-Altona brachte mehr Bürger und Bürgerinnen an die Urnen.
Der Konzern akzeptiert
In Eidelstedt selbst beteiligten sich sogar 46,5 Prozent. Weil das Bezirksamt länger als geplant für die Auszählung benötigte, stand das Ergebnis erst am Mittwoch fest. 68,2 Prozent der Abstimmenden votierten für die Initiative.
»Ich bin sehr froh, dass die Initiative für ihren unermüdlichen und engagierten Einsatz belohnt wurde«, erklärte die Eidelstedterin Astrid Dahaba, die für die LINKE in der Eimsbütteler Bezirksversammlung sitzt: »Daran zeigt sich, dass man nicht hinnehmen muss, was zu ändern ist - Bürgerbeteiligung lohnt sich!« Nicht alle sind vom klaren Votum begeistert. »Mit dem Kampf um Bäume ließ sich eben gut Stimmung machen«, kommentierte das »Hamburger Abendblatt« lapidar den ihm nicht genehmen Ausgang.
»Wir akzeptieren die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger, auch wenn wir sie bedauern«, erklärte dagegen Frank Balser für den Meag-Konzern. Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke, ein Befürworter der Bebauung, sprach von einem »starken Votum« und gratulierte der gegnerischen Seite.
In Stein gemeißelt ist die Entscheidung allerdings noch nicht, weil Hamburg in Sachen kommunaler Selbstverwaltung zentralistisch strukturiert ist. Der Senat kann das Verfahren »evozieren«, wie es im Verwaltungslatein heißt. Zuletzt geschah dies, als sich die Bürger im Helmut-Schmidt-Stadtteil Langenhorn mehrheitlich gegen den Abriss und Neubau der Wulff'schen Siedlung stellten. Mit Verweis auf das gesamtstädtische Interesse am Wohnungsneubau kippte die Stadtregierung den Bürgerentscheid.
Im Eidelstedter Fall gibt es jedoch die Ankündigung, dass es bei der Entscheidung der Bürger vor Ort bleiben wird. »Der Senat positioniert sich dazu nicht«, erklärte die Pressestelle auf Nachfrage.
Wie eine Burg
»Wir werden uns auch weiterhin für eine nachhaltige Entwicklung des Eidelstedter Zentrums auf Basis dieses Bürgerentscheids einsetzen«, kündigte der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Horst Becker von der Initiative »Grünes Zentrum Eidelstedt« an.
»Eidelstedt präsentiert sich eher wie eine Burg, dem ankommenden Besucher wird wenig Offenheit entgegengesetzt«, moniert der Architekt Kay Ehlers, der nicht das Center, sondern das Zentrum des Stadtteils stärken will. Dazu hat er ein neues Bürgerhaus entworfen, in dem auf 2170 Quadratmetern Bruttogeschossfläche verschiedene Initiativen untergebracht werden sollen.
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