Von null auf 100: Elfmetertöter Tyton

Polen ist nach dem 1:1 gegen Griechenland leicht verunsichert mit Blick auf das Spiel gegen Russland

  • Matthias Koch, Warschau
  • Lesedauer: 3 Min.
Schick sahen die polnischen Nationalkicker nach der EM-Eröffnungspartie gegen Griechenland aus. In feinen dunklen Anzügen verließen sie die Kabine, während sich die Griechen in Trainingsbekleidung den Weg zum Mannschaftsbus bahnten. Doch nach dem enttäuschenden 1:1 schauten die Polen etwas dümmer aus der Wäsche als die Helenen.

So richtig wusste niemand bei den Gastgebern, ob der Punkt ein verlorener oder gewonnener war. »In der ersten Halbzeit hatten wir einige Chancen. Leider haben wir nur einmal getroffen. In der zweiten Hälfte haben wir nicht so gut gespielt«, sagte Polens Kapitän Jakub Blaszczykowski von Borussia Dortmund. »Wir haben zwei Fehler gemacht und ein Tor bekommen. Die erste Halbzeit war richtig gut von uns. In der zweiten Hälfte waren wir viel schlechter. Darum haben wir nicht gewonnen.«

Das Auf und Ab der kurzweiligen Begegnung, in der Griechenland durch Dimitris Salpingidis (51.) die Führung des Dortmunder Angreifers Robert Lewandowski (17.) ausgleichen konnte und Polens eingewechselter Ersatzkeeper Przemyslaw Tyton mit einem gehaltenen Strafstoß von Giorgos Karagounis das Remis rettete, ließ auch die polnischen Zeitungen vor dem morgigen Spiel gegen Russland ein wenig rätseln. »Himmel! Hölle! Dramatik! Schrecken! Remis! Das ist zu wenig gegen Russland«, glaubt »Fakt.« »Meine Herren, wir danken! Tyton rettet Polen«, bilanziert »Super Express«. »Von Euphorie und Dramatik« und »Tyton rettet uns vor der Hölle«, schreibt »Przeglad Sportowy«.

Polens Retter Tyton verfuhr nach dem Motto: »drei, zwei, eins - meins«. Vor wenigen Wochen war er noch die Nummer drei und praktisch ohne Aussicht auf einen Einsatz beim EM-Turnier. Erst durch die Verletzung eines Konkurrenten stieg er kurz vor der EM zur Nummer zwei auf. Und als Stammkeeper Wojciech Szczesny im Match gegen Griechenland nach 69 Minuten wegen einer Notbremse vom Platz flog, erlebte der 25-Jährige urplötzlich seine EM-Premiere.

Der Torwart vom PSV Eindhoven bestätigte mit dem gehaltenen Strafstoß bei seiner ersten Ballberührung eindrucksvoll seinen Ruf als Elfmetertöter. »Ich kam mir wie in einem Traum vor und bekam die Chance, meinem Team zu helfen. Ich bin sehr glücklich, dass ich dank Gott diesen Elfmeter gehalten habe«, sagte Tyton. »Das Unentschieden ist kein schlechtes Ergebnis. Am Dienstag geht es für uns schon weiter. Wir dürfen jetzt nicht traurig sein, sondern müssen das nächste Spiel gewinnen.«

Gegen die Russen, die an ihrem Nationalfeiertag von Zehntausenden Landsleuten in Warschau unterstützt werden, hoffen die Polen nun auf eine durchgehend gute Leistung. Von Vorteil könnte sein, dass die Gastgeber viel besser mit den Gegebenheiten vertraut sind. Das geschlossene Dach im Warschauer Nationalstadion machte beim Eröffnungsspiel den Akteuren beider Teams Probleme. »Die Luft war schwer, weil das Stadiondach zu war. Es fiel schwer, zu atmen«, sagte Polens Dortmunder Lukasz Piszczek. Torschütze Robert Lewandowski wollte das aber nicht als Ausrede gelten lassen. »Die UEFA hat gesagt, dass das Dach geschlossen sein muss. Das nächste Spiel wird besser. Wir wissen, auf was wir aufpassen müssen.«

Download Spielplan

Polen: Szczesny - Piszczek, Wasilewski, Perquis, Boenisch - Murawski, Polanski - Blaszczykowski, Obraniak, Rybus (70. Tyton) - Lewandowski.
Griechenland: Chalkias - Torosidis, Sokratis, A. Papadopoulos (37. K. Papadopoulos), Holebas - Maniatis, Katsouranis, Karagounis - Ninis (46. Salpingidis), Gekas (68. Fortounis), Samaras.
Tore: 1:0 Lewandowski (17.), 1:1 Salpingidis (51.). Rot: Szczesny (69., Notbremse). Gelb-Rot: Sokratis (44.). Schiedsrichter: Velasco (Spanien). Zuschauer: 56 070 (ausverkauft).

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.