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Vom Wert der Gemeingüter

Die Commons-Forscherin Elinor Ostrom starb mit 78 Jahren

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Kaum jemand hat sich um die Erforschung von erfolgreicher Nutzung gemeinschaftlichen Eigentums größere Verdienste gemacht als Elinor Ostrom. Ihre Forschungen widerlegten den wirtschaftswissenschaftlichen Mainstream, als Privateigentum noch als Königsweg galt.

Elinor Ostrom, Allmende-Forscherin sowie bisher einzige weibliche Nobelpreisträgerin der Wirtschaftswissenschaften, ist am Dienstag im Alter von 78 Jahren an einer Krebserkrankung gestorben. Das teilte die Indiana University in Bloomington (USA) mit.

Geboren und aufgewachsen in Los Angeles, lebte Elinor nach der Scheidung ihrer Eltern bei ihrer Mutter - einer Musikerin, die sich in Krisen- und Kriegsjahren allein durchschlagen musste. Trotz ihrer nichtakademischen Herkunft studierte die junge Frau erfolgreich und erwarb 1965 ihren Doktor in Politikwissenschaften an der University of California in Los Angeles und wechselte dann nach Bloomington. Der Hauptgrund für ihre Einstellung, so erwähnte Ostrom später, sei wohl die Tatsache gewesen, dass die Universität niemand anderen finden konnte, der morgens um 7.30 Uhr zum Thema »Amerikanisches Regierungssystem« unterrichten wollte.

In den 60er und 70er Jahren waren die Wirtschaftswissenschaften bestimmt von Forschungen über private Eigentumsrechte und die Funktionsweise der Märkte. Ostrom schlug dagegen einen humanistischeren Weg ökonomischen Denkens ein, wie es der US-Aktivist und Autor David Bollier in seinem Blog beschreibt. So konzentrierte sie sich zunächst auf die Erforschung gemeinschaftlich verwalteter Ressourcen, an denen niemand private Eigentumsrechte besaß, zum Beispiel Fischgründe, Weideland oder Grundwasser. Diese Arbeit mündete später in umfassendere Studien, welche die Gemeingüter als ein kulturübergreifendes sozio-ökologisches Phänomen einordnete. Ostrom entkräftete den in der Wirtschaftswissenschaft als gesetzt geltenden Mythos von der »Tragik der Allmende«, den der Mikrobiologe Garrett Hardin 1968 in die Welt gesetzt hatte. Demnach komme es zur Übernutzung einer Ressource, wenn zu viele Eigner eine Ressource nutzen dürfen. Dagegen konnte Elinor Ostrom in ihren Fallstudien etwa über Weiden und Bewässerungssysteme aufzeigen, dass es »viel mehr Beispiele für eine nachhaltige und auf sehr lange Zeit gelungene Gemeinschaftsnutzung von Gütern gibt als gegenteilige«. Gemeinschaftliche Regeln und eine kollektive Praxis könnten verhindern, dass jeder zuerst an seinen eigenen Vorteil denke.

An der Indiana University gründete Elinor Ostrom mit ihrem zweiten Ehemann, dem Politologen Vincent Ostrom, 1973 ein In-stitut, das die Debatte über die Gemeingüter förderte. International unterstützte sie den Aufbau eines akademischen Netzwerks mit hunderten Mitgliedern. Dieses trug eine Vielzahl von Dokumenten zusammen, die in der »Digital Library of the Commons« im Internet abgerufen werden können. Aktivisten in aller Welt schreiben Os-trom entscheidende Impulse für das gestiegene Interesse an den Gemeingütern (»Commons«) als Alternative zu Markt und Staat zu.

Das Nobel-Komitee begründete 2009 die Preisvergabe an Ostrom mit den Worten, ihre Arbeit »lehrt uns Neues über die tiefen Zusammenhänge, die die Kooperation in der Gesellschaft am Leben erhalten«. In den vergangenen Jahren warnte die Forscherin davor, im Klimaschutz auf globale Lösungen zu warten, und plädierte dafür, in diesem Bereich zu experimentieren.

Ostrom lehrte bis zuletzt in Indiana. Ihre Kollegen schätzten sie als bescheidene und gewissenhafte Forscherin. »Es gibt kaum etwas, das unsere Potenziale besser zur Entfaltung bringt als Wertschätzung. Nur wenige Menschen besitzen die Gabe, andere großzügig und ohne Kalkül wertzuschätzen«, erklärte die deutsche »Commons«-Aktivistin Silke Helfrich gegenüber »nd«. »Elinor Ostrom gehörte dazu. Sie hat zahllose Menschen ermutigt. Und kaum etwas können wir heute besser gebrauchen als Mut.«

»nd« veröffentlicht in der Freitagsausgabe eines der letzten Interviews mit Elinor Ostrom.

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