Klares Nein zum Fiskalpakt

  • Rudolf Hickel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Regierung ist wild entschlossen, im Bundestag eine Mehrheit zu dem von Angela Merkel und dem ehemaligen französischen Präsidenten Nikolas Sarkozy erfundenen Fiskalpakt herzustellen. Ohne die Zustimmung der Oppositionsparteien lässt sich jedoch die verfassungsrechtlich erforderliche Mehrheit zu dieser der EU verordneten Schuldenbremse nicht durchsetzen. An eine mögliche Zustimmung zum Fiskalpakt knüpfen die Oppositionsparteien SPD und Grüne drei Bedingungen: die zügige Einführung einer Steuer auf alle Finanztransaktionen, ein wirtschaftliches Wachstums- und Strukturprogramm vor allem für die EU-Krisenländer sowie einen Tilgungspakt, mit dem die exzessiven Staatsschulden in den Mitgliedsländern über einen Gemeinschaftsfonds abgebaut werden sollen. Die Forderungen sind richtig und verdienen Unterstützung. Jedoch rechtfertigen sie die Zustimmung zum Fiskalpakt nicht.

Mit einer absurden Rechtfertigung wirkt die Schuldenbremse nach dem vorgesehenen Regelwerk des Fiskalpakts wie ein übermächtiges Schrumpfprogramm für die EU-Wirtschaft, vor allem in den Krisenländern. Eine martialische Einsparpolitik der öffentlichen Haushalte sowie die Anhebung vor allem der Steuern auf die Masseneinkommen sind die logische Folge. Wirtschaft und Sozialstaat werden stranguliert. Denn in jedem Vertragsstaat wird das strukturelle, um Konjunktureffekte bereinigte Defizit auf 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beschränkt. Darüber hinaus muss die Staatsschuld reduziert werden, wenn der Gesamtschuldenstand bei über 60 Prozent des BIP liegt. Das künftig zugelassene Defizit zur Bekämpfung von Krisen spielt in dieser neoliberalen Finanzpolitik kaum eine Rolle.

Die Folgen des Schuldendiktats sind heftig: Einsparungen treffen vor allem den Sozialstaat, binnenwirtschaftliche Nachfrageausfälle lassen die Wirtschaft schrumpfen, es steigt die Neuverschuldung, weil die Wachstumsverluste größer als der angestrebte Abbau der Neuverschuldung ausfallen werden. Die in Griechenland gescheiterte Strategie soll mit dem Fiskalpakt vergemeinschaftet werden.

Bei der Bewertung des Fiskalpakts darf es deshalb kein »Ja, aber« geben - er gehört bedingungslos abgelehnt. Die Sanierung öffentlicher Haushalte muss über die Stärkung der modernen Wirtschaftsstruktur und sozialstaatliche Absicherung erfolgen.

Die Finanztransaktionssteuer darf nicht zur Rechtfertigung des Pakts missbraucht werden. Sie dient der Dämpfung der Spekulationsgeschäfte. Mit den Einnahmen sind öffentliche Initiativen zu finanzieren. Sollte der Fiskalpakt kommen und die Wirtschaft in die Knie zwingen, wäre die Gefahr groß, dass mit den Einnahmen aus der Steuer die Steuerverluste in Folge sinkender Produktion verpulvert würden.

Auch die Verknüpfung der Zustimmung zum Fiskalpakt mit einem Wachstumspaket ist ökonomisch und fiskalisch absurd: Erst werden wirtschaftliche Wachstums- und Entwicklungsverluste durch die EU-Schuldenbremse erzeugt, um dann mit derzeit noch völlig nebulösen Wachstumsinitiativen gegenzusteuern. Es gibt nur eins: Ablehnung des Fiskalpakts ohne Wenn und Aber zugunsten der Finanztransaktionssteuer und einer ökologischen Wachstums- und Innovationspolitik in der EU.

In der wöchentlichen nd-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.

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