Soziale Spaltung vertieft sich
In deutschen Städten werden Arme an die Peripherie gedrängt
Im Frankfurter Westend wurde jüngst eine ganze Häuserzeile saniert. Nach Abschluss der Arbeiten an den 50er-Jahre-Bauten sollen die Mieten nun um fast 40 Prozent steigen, meldet die »Frankfurter Rundschau«. Viele der Bewohner können sich das nicht leisten und sind gezwungen, in preiswertere Wohngegenden zu ziehen. Diese Geschichte aus der Mainmetropole steht exemplarisch für einen Trend, der zurzeit auf den Wohnungsmärkten vieler deutscher Städte zu beobachten ist. Vor allem in den begehrten Innenstadtlagen verdrängen die Reichen die weniger Betuchten. Gentrifizierung nennt man dieses Phänomen. So entstehen nach und nach sozial homogene Viertel: Hier die Vermögenden und dort die Armen bzw. jene, die nicht genug verdienen, um sich die Mieten in den besseren Stadtteilen leisten zu können.
Eine aktuelle Studie des Deutschen Institutes für Urbanistik (Difu) zeigt nun, wohin diese Entwicklung führt. In Kooperation mit dem nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium hatten die Forscher die Situation in 19 deutschen Städten zwischen den Jahren 2007 und 2009 untersucht. Die Wissenschaftler analysierten die Verteilung von Arbeitslosigkeit, Kinderarmut und des Anteils der Bevölkerung mit Migrationshintergrund jeweils innerhalb einer Stadt. Das Ergebnis ist eindeutig: »Eine Verdrängung der von Armut betroffenen Haushalte mit Kindern in die Großwohnsiedlungen am Stadtrand ist mittlerweile nachweisbar.« Trotz sinkender Arbeitslosigkeit im gesamten Bundesgebiet nehme die »sozialräumliche Spaltung zwischen Arm und Reich« zu, heißt es in einer Presseerklärung des Institutes. Am stärksten ausgeprägt sei diese »Ungleichverteilung« in Berlin, Bremen, Dortmund und Hamburg. Allerdings gebe es in fast allen der untersuchten 19 Städte gewisse Viertel, »in denen Kinderarmut entgegen der allgemeinen Entwicklung noch ansteigt«, so das Institut. Diese Stadtteile »liegen meist am Stadtrand und sind durch eine Bebauung mit Großwohnsiedlungen oder Gebäuden der 1950er-/1960er-Jahre gekennzeichnet«.
Die Forscher vermuten, »dass sich Aufwertungsprozesse derzeit innerstädtisch vollziehen und zu dieser Entwicklung beitragen«. Das heißt: Wer sich nach der Luxussanierung die eigene Wohnung im Zentrum nicht mehr leisten kann, zieht an den Stadtrand.
Die Wissenschaftler empfehlen, die Viertel mit einem hohen Anteil benachteiligter Menschen dauerhaft zu fördern. Etwa über das Förderprogramm »Soziale Stadt«. Der Hinweis kommt fast zu spät: Im vergangenen Jahr kürzte die Bundesregierung den Etat des Programmes um zwei Drittel. Damit fielen 500 von ehemals 570 geförderten Problemvierteln aus der Förderung.
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