»Nicht mit Ostbonus kokettieren«

Rainer Jarohs - seit 1965 mit dem FC Hansa Rostock verbunden - im ND-Gespräch

  • Lesedauer: 5 Min.
Der FC Hansa Rostock ist das sportliche Aushängeschild von Mecklenburg-Vorpommern. Seit über 30 Jahren gehört Rainer Jarohs (45 Jahre) bei den Ostseestädtern zum festen Inventar. Der waschechte Rostocker spielte von 1965 bis 1990 bei den Hanseaten und bestritt drei DDR-Länderspiele. Der leitende Hörfunkjournalist im Studio Rostock des NDR ist seit 1997 erster Stellvertreter des Vorstandsvorsitzenden im Bereich Sport beim FCH. Jarohs, der somit in der sportlichen Pyramide bei den Rostockern ganz oben steht, ist verheiratet mit Angelikaund hat zwei Kinder: Sohn Daniel ist 23, Tochter Sandy 18 Jahre alt.
ND: Hat Rostock geographische und wirtschaftliche Nachteile für die Bundesliga?
Nein, wir haben es ja bewiesen. Wir sind jetzt das achte Jahr in der Bundesliga. Natürlich können wir uns mit anderen Industriestädten nicht vergleichen. Uns fehlt der wirtschaftliche Background, aber wir haben es auch so geschafft.

ND: Kämpft Ihr Verein in erster Linie immer um den Klassenerhalt?
Das werden wir sehen. Natürlich möchten wir auch weiterkommen. Aber wir wollen auf dem Teppich bleiben. Es gibt Kritik von den eigenen Fans, die nicht jedes Jahr nur um den Klassenerhalt bangen wollen. Für die Wirtschaftlichkeit ist in erster Linie aber der Ligaverbleib nötig. Wenn wir uns mit Hertha BSC, Leverkusen oder Hamburg vergleichen, schlagen wir uns ganz ordentlich.

ND: Wieso gibt es heute nicht mehr die von Ihnen vorgelebte Vereinstreue?
In der DDR mussten wir sie vorleben. Ich wollte drei oder vier Mal den Verein Richtung Jena, Magdeburg und Union Berlin verlassen. Das wurde mir von der Partei untersagt. Man hat mir sogar mit Repressalien gedroht. Im Endeffekt bin ich froh, dass man mich nicht weggelassen hat. Ich fühle mich in Rostock wohl und wir haben jetzt eine Bundesligamannschaft.

ND: Was bedeutet das Stadion für Hansa?
Das neue Ostseestadion ist unser Aushängeschild. Alle Leute bescheinigen uns, dass es ein Schmuckstück ist. Wir sind stolz darauf, dass wir so etwas geschaffen haben. Voraussetzung war der jahrelange Erstligaerhalt. Das Stadion ist das Sahnehäubchen der von uns genommenen Entwicklung. Wir gehören nun zu den Teams mit den besten Bedingungen.

ND: Warum ist das Ostseestadion mit seinen 30000 Plätzen so selten voll?
Die Leute sind natürlich auch ein bisschen satt. Dass Rostock in der Bundesliga spielt, ist zur Normalität geworden. Obwohl wir in der Liga mit die niedrigsten Eintrittspreise haben, schauen die Fans auch aufs Geld. Sie suchen sich die besten Spiele aus. Das verstehe ich. Besonders attraktiven Fußball haben wir in den letzten Jahren aber auch nicht gezeigt. Das hat vielleicht etwas abgeschreckt.

ND: Was hat Ihr Club nach der Wende besser als Dresden, Leipzig oder Magdeburg gemacht?
Das ist ein Glücksfall. Nach der Wende wurde mit Uwe Reinders ein Trainer aus dem Westen geholt. Die Spieler waren von den neuen Methoden beeindruckt. Mit diesem Motivationsschub qualifizierte sich die Mannschaft, die letzter DDR-Meister wurde, für die Bundesliga. 1992 sind wir zwar gleich wieder abgestiegen, aber es gab einen neuen Glücksfall: Trainer Frank Pagelsdorf legte mit geringem finanziellen Aufwand und Spielern aus unterklassigen Vereinen den Grundstein für den heutigen Erfolg.

ND: Sind Sie neidisch auf die heutigen Gehälter der Spieler?
Nein. Ich habe mich damals eindeutig für meine Beruf - ich volontierte beim Sender Rostock von Radio DDR - entschieden. Das war mir wichtiger. Wenn ich mir nun darüber Gedanken machen würde, bräuchte ich bei Hansa nicht ehrenamtlich zu arbeiten. Bei den Gehältern ist einiges aus dem Rahmen gegangen. Die Schraube wird ja nun zurückgedreht. Und das ist gut so.

ND: Worin besteht der Unterschied zwischen dem Fußball in der DDR und heute?
Das kann man nicht genau sagen. Wir haben früher keinen schlechteren Ball gespielt. Davon zeugen die zahlreichen Stammspieler und Talente in der Bundesliga aus den neuen Ländern. Mittlerweile sind ja sogar die Trainingsmethoden aus dem Osten anerkannt. Wobei ich das mit gemischten Gefühlen sehe. Sonst hätten wir die Mannschaften von drüben früher häufiger geschlagen.

ND: Was bedeutet Mecklenburg-Vorpommern für Ihren Club?
Mecklenburg-Vorpommern ist unsere Heimat. Und wir wissen, dass die Leute von hier mit uns fiebern, auch wenn sie nicht ins Stadion kommen.

ND: Welchen Stellenwert besitzt Hansa für Mecklenburg-Vorpommern?
Auf jeden Fall Identifikation. Die Leute freuen sich mit Hansa, wenn Rostock gewinnt. Das gibt ihnen Selbstvertrauen. Wir haben hier etwas, was sich bundesweit sehen lassen kann.

ND: Wie erklären Sie die riesige Resonanz für Rostock und Cottbus im Osten?
Das ist natürlich alte Verbundenheit. Die Menschen identifizieren sich mit ihrer Heimat. Da liegen auch die Fußballvereine nahe. Viele verbinden damit auch ihre Vergangenheit. Aber ich will mit dem Ostbonus überhaupt nicht kokettieren. Wir wollen vernünftig miteinander umgehen und die Gräben nicht tiefer werden lassen.

ND: Weshalb spielen so viele Schweden in der Mannschaft?
Vor Jahren hatten wir sehr viele Jugoslawen. Mit deren Leistungen, Auftreten und Mentalität waren wir unzufrieden. Schweden ist nicht so weit weg. Da schauen wir uns viele Spiele an. Die Schweden passen mit ihrer tollen Einstellung und nordischen Mentalität zu uns.

ND: Warum ist der Fußball im Osten momentan so blass?
Die Talente sind in den Westen gegangen. Dadurch sind die Vereine im Prinzip leer gekauft worden. Einige Clubs haben aber auch schlecht gewirtschaftet. Diese Fehler sind nur schwer und langfristig zu reparieren.

ND: Was springt am Saisonende für Rostock heraus?
Wir wollen nach wie vor unsere Vorgabe - von Beginn an nichts mit dem Abstieg zu tun haben - realisieren. Dafür war der Start erst einmal ganz gut.

Gespräch: Matthias Koch

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