Teebeutel statt Zuckergranulat

Verleihung des »Goldenen Windbeutels« an Hipp: Verbraucher strafen Getränke für Kleinkinder ab

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Zum vierten Mal verlieh die Verbraucherorganisation Foodwatch am Dienstag den Preis für die »dreisteste Werbelüge«. Gewonnen haben die Instant-Kindertees von Hipp.

Alkoholfreies Bier mit Alkoholanteil, blutzuckersenkende Margarine oder kalorienreduziertes Hackfleisch mit pflanzlichem Eiweißzusatz - bei der Wahl zum »Goldenen Windbeutel« 2012 hatten die Verbraucher die Wahl, welches Produkt die Bezeichnung »dreisteste Werbelüge« des Jahres tragen muss. Aus der Onlineabstimmung der Verbraucherorganisation Foodwatch gingen die Instantfrüchtetees der Firma Hipp in den Geschmacksrichtungen Apfel-Melisse, Früchte und Waldfrüchte als Sieger hervor. 34,1 Prozent der 129 229 Teilnehmer stimmten für die aus Wasser, Zucker, Fruchtpulver und Vitaminzusätzen bestehenden Getränkegranulate.

Den zweiten Platz belegte das Viva Vital Hackfleisch von Netto-Markendiscount (27,5 Prozent), gefolgt von der Margarine Becel pro.activ (22,2 Prozent), Clausthaler alkoholfrei von Radeberger (10,1 Prozent) und dem Früchtetee Landlust Mirabelle & Birne von Teekanne (6,1 Prozent).

Das Ergebnis zeigt, dass die Verbraucher besonders empfindlich auf Werbelügen reagieren, die Kinderlebensmittel betreffen. Bereits 2010 und 2011 erhielten solche Produkte - der Monte-Drink von Zott und die Milch-Schnitte von Ferrero - den Negativpreis.

Die Teegranulate von Babynahrungshersteller Hipp werden für Kinder ab zwölf Monate angeboten. 200 Milliliter haben rund 30 Kilokalorien (kcal) - etwas mehr als zwei Würfel Zucker. Wird das Teegranulat als alleiniger Durstlöscher genutzt, deckt es schnell 10 bis 20 Prozent des Kalorienbedarfes eines Kleinkindes, der bei 900 bis 1300 kcal pro Tag liegt.

Hinzu kommt die Kariesgefahr, die besonders beim Trinken aus der Nuckelflasche oder dem Trinklernbecher mit Plastiktülle stark erhöht ist. Hierbei umspült das Getränk relativ lange die Zähne und kann so schnell zu ernsthaften Zahnschäden führen.

Hipp wehrt sich gegen die Kritik und weigerte sich, den Negativpreis anzunehmen. Für die Kindertees mache man keine Werbung, zudem sei der Zuckergehalt klar auf der Verpackung angegeben, heißt es in einer Erklärung. Darüber kann man geteilter Meinung sein: Die Dosen, in denen das Granulat verkauft wird, zeigen vorn leuchtend buntes Obst und Blüten. Die Aufschrift verheißt »natürliche Fruchtextrakte«. Kein Wort von Zuckerzusätzen. Der Hinweis zur Kariesgefahr findet sich klein auf der Rückseite der Dose, ebenso der Zuckergehalt.

Oliver Huizinga von Foodwatch sagte am Dienstag, die Tees seien »Zuckergranulat mit Wasser aufgegossen«. Den Eltern solche Produkte für Kleinkinder zu empfehlen, sei »unverantwortlich«. Nach einer E-Mail-Protestaktion von über 10 000 Verbrauchern hatte Hipp bereits im Mai angekündigt, die Granulattees Ende 2012 vom Markt zu nehmen. Es werde bereits an einer zuckerfreien Rezeptur gearbeitet, sagte eine Unternehmenssprecherin. Hipp bietet inzwischen auch Teegetränke für Babys ab dem 6. Monat an: Der Fenchel- und Kamillentee, (16 kcal pro 100 ml) ist mit Isomaltulose gesüßt, einem Kohlenhydrat, das nach eigenen Angaben »von den Mundbakterien nicht genutzt werden« kann, wodurch kaum karieserzeugende Säuren entstünden.

Oliver Huizinga sagte, neue Produkte seien nicht notwendig, denn Hipp habe mit den »guten alten Teebeuteln« längst geeignete Kleinkindgetränke auf dem Markt.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!