Die UEFA klaut

Die UEFA vermittelt bei dieser EM das Bild eines wahnsinnig beschäftigten Verbandes. Alles zum Wohle des Fußballs. Zehn Verfahren hat sie während der zwölf Gruppenspieltage bereits angestrengt. Gegen nationale Verbände wegen Fehlverhaltens der Fans oder weil Spieler zu spät vom Pausentee kamen. Gegen einen Profi wegen unerlaubter Werbung. Diese ist in den drei Turnierwochen nur dem elitären Kreis der UEFA-Partner erlaubt. Sogar die Fernsehbilder werden kontrolliert und gesteuert. Der Verband als Ankläger, Anwalt und Richter zugleich für einen fairen und reinen Sport. Die Schuld ist somit logischerweise für andere reserviert.

Ausgerechnet gestern glänzte die UEFA durch Abwesenheit. Die angesetzte Pressekonferenz mit Turnierdirektor Martin Kallen und UEFA-Generalsekretär Gianni Infantino fand einfach nicht statt. Wohlweislich, denn beide hätten im Frage- und Antwortspiel unweigerlich auf der Anklagebank gesessen - als Schuldige, vertretungsweise für ihren Verband und dessen Chef Michel Platini. Der Vorwurf? Diebstahl! »Sie haben uns ein Tor geklaut«, hatte der ukrainische Trainer Oleg Blochin am späten Dienstagabend gewettert. Trotz eines regulären Treffers - die Fernsehbilder dienen als eindeutiger Beweis - hatte sein Team 0:1 verloren, und schied aus.

Alles, was die UEFA zu ihrer Entlastung hätte anbringen können, kann dank Platini nun gegen sie verwendet werden. Da es bis Montag kaum strittige Entscheidungen gegeben hatte, lobte er die Schiedsrichtergespanne und den zusätzlichen Einsatz von zwei Torrichtern: »Zu fünft sehen sie alles.« Der Fehler des nicht gegebenen Tores bei der WM 2010 von Frank Lampard gegen die DFB-Elf wäre bei zehn unparteiischen Augen nicht passiert. Deshalb ist Platini »gegen Technik im Fußball.«

Da neben namhaften Schiedsrichtern, Trainern, Nationalspielern, Lichtgestalten und Ex-DFB-Präsidenten nun auch Weltfußballchef Sepp Blatter, FIFA-Boss und langjähriger Technikverweigerer, Torkamera oder Chip im Ball seit Dienstag als »Notwendigkeit« erachtet, sollte sich Platini ein schnelles Schuldeingeständnis abringen. So könnten er und die UEFA zumindest auf mildernde Umstände plädieren. Das Vergehen, auf der Suche nach Gerechtigkeit in der grundlegendsten Frage des Fußballs - Sieg oder Niederlage? - vorsätzlich untätig zu sein, ist schon schwer genug.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.