Kampf ums kühle Nass
EU-weite Bürgerinitiative setzt sich für Wasserversorgung in öffentlicher Hand ein
Wasserknappheit und ein mangelhafter Zugang zu Sanitäreinrichtungen ist in Schwellen- und Entwicklungsländern, insbesondere im subsaharischen Afrika und auf dem indischen Subkontinent, ein massives Problem. Man könnte annehmen, dass der »alte Kontinent« nicht damit konfrontiert wäre. Doch falsch gedacht: Laut Dienstleistungsgewerkschaft ver.di haben mehr als 1,5 Millionen Europäer keinen Zugang zu Wasser und sanitärer Grundversorgung.
Eine Wasserversorgung in öffentlicher Hand könnte diesen Missstand verhindern. Das jedenfalls meint die Kampagne »Wasser ist ein Menschenrecht«, die ver.di am Donnerstag in Leipzig gestartet hat und die Teil einer europaweiten Bürgerinitiative ist. Sie richtet sich gegen die Liberalisierungspläne der EU-Kommission für die Wasserwirtschaft mit europaweiten Ausschreibungen. Ziel ist es, die Privatisierung in der Europäischen Union zu unterbinden. Initiator ist der Europäische Gewerkschaftsbund für den Öffentlichen Dienst. Unterstützt wird das Begehren in Deutschland vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac und dem Forum Umwelt und Entwicklung. Wie der Leiter der ver.di-Bundesfachgruppe Wasserwirtschaft, Mathias Ladstätter, dem »nd« bestätigte, ist die Initiative von der EU-Kommission registriert worden.
Viele Jahre haben sich Vereine und Organisationen für mehr Mitbestimmung auf der supranationaler Ebene stark gemacht. Mit Erfolg: Eine europäische Bürgerinitiative ist seit April dieses Jahres möglich. Rechtlich bindend ist sie aber nicht. Hat eine Initiative Erfolg, muss sich die Kommission mit dem Thema befassen. Auch findet dann eine Anhörung im Parlament statt. Ein Volksentscheid wie in den Bundesländern kann so nicht herbeigeführt werden. Aufgrund dieser Unverbindlichkeit nennen Kritiker die EU-weiten Burgerinitiativen einem »zahnlosen Tiger«.
Doch das schreckt die deutschen Initiatoren und ihre Mitstreiter nicht ab. Im Gegenteil. »Wir wollen ran an die Leute«, sagt Gerlinde Schermer vom Berliner Wassertisch, die bereits erste Unterschriften sammelt, gegenüber dieser Zeitung. Sie sieht in dem Volksentscheid die Möglichkeit, die Politik in Europa zu beeinflussen. Ein Signal gehe von der Initiative aus, dass Privatisierungen von Dienstleistungen nicht so einfach hingenommen werden, so Schermer.
In Deutschland ist private Wasserversorgung seit etwa Mitte der 1990er Jahre ein Thema. So hat der französische Dienstleister Veolia 2001 die Mehrheit der Anteile der Stadtwerke Görlitz übernommen. Ähnlich das Prozedere im niedersächsischen Braunschweig: 2002 erwarb ein amerikanischer Konzern mehrheitlich die dortige Energieversorgung. Nach seinem Rückzug vom europäischen Markt wenig später war es wieder Veolia, der als Mehrheitsgesellschafter bei »BS ENERGY« eingestiegen ist, das Trinkwasser liefert und die Stadtentwässerung garantiert. Und auch in der Hauptstadt wurde die Wasserversorgung vor rund 13 Jahren teilprivatisiert. Wieder ist Veolia beteiligt. Liegt es etwa an der Privatisierung, dass in Berlin das Wasser im Vergleich zu anderen Großstädten verhältnismäßig teuer ist? Der Wassertisch setzt sich dafür ein, die Versorgung mit dem kühlen Nass wieder in kommunale Hand zu überführen.
»Wasser ist ein Menschenrecht« ist eine der ersten europäische Bürgerinitiativen. Zuvor hatte beispielsweise eine österreichische Umweltgruppe versucht, durch ein Volksbegehren den europaweiten Atomausstieg durchzusetzen. Doch die EU-Kommission erteilte dem Vorhaben aus Gründen der Zuständigkeit vor wenigen Wochen eine Absage. Und bereits 2007, lange bevor Bürgerinitiativen überhaupt möglich waren, sammelte ein europäischer Dachverband von Behindertenvereinen und -organisationen mehr als 1,3 Million Unterschriften. Damals sollte ein EU-Gesetz gegen Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen auf den Weg gebracht werden.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.