Bildung wird zunehmend Privatsache
Immer mehr Schüler und Studenten besuchen Bildungseinrichtungen von freien Trägern
Seit Freitag liegt er in voller Länge vor: Der von Bund und Ländern gemeinsam in Auftrag gegebene Bericht »Bildung in Deutschland 2012«. Schon vorab hatte das 350-seitige Werk für Furore gesorgt, weil die Autoren vor der Einführung des Betreuungsgeldes warnten. Neben Kritik an der Herdprämie finden sich interessante Details zu Zustand und Perspektiven des Bildungssystems: Unübersehbar ist etwa der Trend zur Privatisierung. Während die Zahl der Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft seit 1998 von 67 600 auf 55 400 gesunken ist, hat sich die Anzahl privater Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft von 32 000 auf 40 000 erhöht. Die Autoren weisen zwar darauf hin, dass Kitas schon immer in überwiegend freier Trägerschaft betrieben wurden, aber die rasante Zunahme von Privatschulen sei »erstaunlich«. Seit 1998 kamen 1 200 Schulen hinzu - ein Plus von 53 Prozent.
»Besonders beachtenswert« sei auch die Zunahme von Grundschulen in freier Trägerschaft, so die Autoren: Seit 1998 habe sich ihr Bestand um 152 Prozent erhöht. Mittlerweile gibt es im gesamten Bundesgebiet 791 solcher Einrichtungen. Auch die Anzahl der Studenten an privaten Hochschulen hat sich - wenn auch auf niedrigem Niveau - seit 1998 mehr als verdreifacht.
Erfreulich: Die Bildungsausgaben von Bund und Ländern stiegen laut Bericht im Jahr 2010 aufgrund 172 Milliarden Euro. Im Jahr zuvor waren es noch etwa 164 Milliarden Euro. Der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) erhöhte sich damit von 6,9 auf 7,0 Prozent. Das ist zwar noch zu wenig, aber immerhin steigt der Anteil, nachdem er jahrlang zurückgegangen war.
Erfreulich auch: Der Anteil von Menschen mit Hochschulabschluss hat sich in den vergangenen Jahren stark erhöht. So hatten 2010 22 Prozent der 30- bis unter 35-Jährigen einen Hochschulabschluss. In der Alterskohorte der 60- bis unter 65-Jährigen betrug dieser Anteil nur 15 Prozent. Dies sei vor allem auf das veränderte Bildungsverhalten der Frauen zurückzuführen, betonen die Autoren. So konnten 23 Prozent der 30- bis unter 35-jährigen Frauen im Jahre 2010 einen Hochschulabschluss vorweisen.
Damit übertrumpften die Frauen erstmals auch die gleichaltrigen Herren, die nur eine Absolventenquote von 22 Prozent erreichten.
Zudem hat sich die Bildungsbeteiligung von jungen Menschen mit Migrationshintergrund seit 2005 erhöht und entspricht nun der Bildungsbeteiligung der Deutschen ohne Migrationshintergrund. Trotzdem weisen vor allem Migranten aus der Türkei und den ehemaligen Anwerbestaaten weiterhin »deutlich geringere Bildungsbeteiligungsquoten auf als sonstige Migranten«, konstatieren die Autoren.
Sie mahnen außerdem einen hohen »Ersatz-Bedarf« beim Lehrpersonal an. Derzeit seien »48 Prozent der Lehrkräfte im Schulwesen 50 Jahre und älter«. In den kommenden 15 Jahren steht Deutschlands Schulen ein Generationswechsel bevor. Hinzu komme ab August 2013 ein gesteigerter Personalbedarf an Kindererzieherinnen, weil dann der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für unter 3-Jährige in Kraft trete, so die Autoren.
Der Bericht zeigt, dass der demografische Wandel im Bildungswesen auch auf der Schülerseite voll durchschlägt: So machten in den ostdeutschen Flächenländern zwischen 1998 und 2010 beinahe 40 Prozent aller Schulen dicht! Der Bildungsbericht sieht es als »zentrale Herausforderung« an, die »Bildungsinfrastruktur weiter an die regional unterschiedliche demografische Entwicklung« anzupassen.
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