Helios zeigt die Instrumente

Mehrfacher Rechtsbruch bei Massenentlassungen der ehemaligen Damp-Servicekräfte

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Kündigungen der rund 1000 ZSG-Beschäftigten waren rechtswidrig, die Tarifrunde und die Streiks laufen weiter. Die Übernahme der Rhön-Kliniken durch den Freseniuskonzern könnte scheitern.

Die Kündigungen kamen im blümchenverzierten Umschlag. Und sie erhielten den Satz: »Sure we can.« Alle etwa 1000 Mitarbeiter der Servicegesellschaft ZSG der ehemaligen Damp-Gruppe erhielten das unerfreuliche Schreiben. Darunter Schwangere, Auszubildende, Betriebsräte. Die Damp-Kliniken waren im März von Helios übernommen worden, im Juni hatte sich eine Mehrheit der 5600 Beschäftigten des Konzerns in den nördlichen Bundesländern im aktuellen Tarifstreit für einen unbefristeten Streik entschieden. Auch aus diesem Grund sind die Kündigungen für die rund 1000 ZSG-Beschäftigten rechtsunwirksam. Hinzu kommt, dass die Betriebsräte in die Kündigungsplanung nicht einbezogen wurden. Auch sind Massenentlassungen anzeigepflichtig gegenüber den Agenturen für Arbeit. Das sei nicht erfolgt, bestätigte inzwischen die Bundesanstalt für Arbeit laut ver.di-Chef Frank Bsirske. Trotzdem verbreitet der Konzern vollmundig, dass die in Zukunft nicht weiter gebrauchten 400 Beschäftigten in einer staatlich finanzierten Transfergesellschaft unterkommen sollen. Mit den 600 Übrigen sollen neue Verträge verhandelt werden - zu deutlich schlechteren Bedingungen.

Bsirske nannte die Vorgänge am Donnerstag »einmalig in der bundesdeutschen Geschichte« und brachte die Kündigungen mit den hohen Renditezielen von Fresenius-Helios von mindestens 15 Prozent in Verbindung. Dass der Konzern alle seine 38 000 Mitarbeiter über seine Kündigungspolitik in diesem Fall informierte, sieht Bsirske als Einschüchterungsversuch, als Warnschuss auch gegen die medizinischen Beschäftigten.

Offensichtlich soll hier auseinanderdividiert werden: Teils verdienen etwa Pflegekräfte leicht über Tarif, aber mit der Damp-Übernahme sollen die Beschäftigten in Rehakliniken und im Service gar nicht mehr tarifiert werden. Ellen Paschke vom ver.di-Bundesvorstand sagt, Helios wolle auf auf »marktübliche Preise« zurückgreifen. Damit würden etwa Reinigungskräfte in Mecklenburg-Vorpommern schlagartig 400 Euro pro Monat verlieren. Die frühere Damp-Gruppe war aus ihrer Sicht »richtig gesund«, erzielte acht Prozent Rendite und zahlte einem Koch im zweiten Jahr der Beschäftigung pro Jahr 21 000 Euro. Im Hotel- und Gaststättengewerbe Mecklenburg-Vorpommerns erhielte dieser knapp 14 000 Euro Lohn. Die Gewerkschaften empfehlen den Betroffenen, gegen die Kündigungen zu klagen. Blieben sie untätig, würden die Kündigungen trotz allem wirksam.

Die Streiks bei Helios in der aktuellen Tarifrunde werden fortgesetzt und ausgeweitet, kündigte ver.di an - trotz Streikbrechern. Ellen Paschke nennt deren Bedingungen: »300 Euro Tagesprämie, freie Kost und Logis, freies Kilometergeld.« Angesichts dieser Angebote will ver.di auch die Patienten informieren und Unterschriften sammeln. Die Solidarität der übrigen Beschäftigten bei Helios sei sicher. Für morgen ruft ver.di zu einer Demonstration in Kiel auf.

Die Integration der Damp-Kliniken in den Konzern verlief laut Elke Lunkeit vom Betriebsrat der Damp Holding AG auf Konfrontationskurs und »in autoritärer Art«. Das bestätigt der Helios-Konzernbetriebsratsvorsitzende Rainer Stein. Der Standort sei von 3000 auf 1800 Beschäftigte heruntergefahren worden, Unternehmensteile wurden und werden ausgegründet, Pflegekräfte in Teilzeitarbeit gedrängt. »Der Konzern weiß genau, was er tut«, so Stein.

Fresenius-Helios strebt mit der Übernahme der Rhön-Kliniken danach, Europas größter Gesundheitskonzern zu werden. Doch diese Übernahme verläuft nicht glatt: Donnerstagnacht endete die Frist, noch läuft die Auszählung der Aktien. Es könnte sein, dass Fresenius sich verzockt hat und die Übernahme scheitert. In letzter Minute war laut dpa der Konkurrent Asklepios auf den Plan getreten und hatte sich 5,01 Prozent an der Rhön-Klinik AG gesichert.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -