Heißes Date unterm Rettungsschirm

Merkel und Monti ringen in Rom um Durchsetzung ihrer Interessen

  • Wolf H. Wagner, Rom
  • Lesedauer: 2 Min.
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist am Mittwoch in Rom mit dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti zusammengetroffen. Die Begegnung stand unter dem Eindruck des Brüsseler Krisengipfels vergangene Woche, bei dem Monti wesentliche Interessen Italiens gegen deutschen Widerstand durchgesetzt hatte.

Es waren nicht nur die Außentemperaturen - 35 Grad bei wolkenlosem Himmel -, die das Treffen der deutschen Kanzlerin mit dem amtierenden Chef der technischen Regierung in Rom zu einer heißen Begegnung werden ließen. Das Spitzengespräch zwischen Merkel und Monti, bereits das dritte innerhalb der vergangenen zwei Wochen, fand in der heißen Phase der Eurokrise statt. Auf dem Gipfel in Brüssel hatte Monti gemeinsam mit seinen Kollegen aus Spanien und Frankreich das Zugeständnis ausgehandelt, dass angeschlagene Banken auch ohne Regierungsvermittlung Hilfe vom Rettungsschirm ESM beziehen könnten. Die Kanzlerin hatte unter Widerstand zugestimmt, aber konkreten Verhandlungsbedarf über die Modalitäten angemeldet. Dies sollte nun Gegenstand der Gespräche im römischen Palazzo Madama, dem Amtssitz Montis, sein.

Am Ende zeigten beide Regierungschefs in der gemeinsamen Pressekonferenz Zufriedenheit über den Stand der Zusammenarbeit. Einzelheiten würden von den Fachministerien ausgehandelt. Man werde gemeinsam in Fragen der Haushaltsdisziplin sowie beim Wachstumspaket zusammenarbeiten. Merkel sagte dem italienischen Regierungschef deutsche Hilfe zu, wie auch ihr Gegenpart die gute Zusammenarbeit beschwor.

Um die bilateralen Gespräche mit Fachkompetenz zu unterfüttern, ließ sich Merkel begleiten von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Außenminister Guido Westerwelle (FDP), Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU).

Dass Merkel mit deutlichem Misstrauen nach Rom kam, lag nicht zuletzt an den dramatischen Wirtschaftszahlen: Am Vormittag gab die Statistikbehörde Istat bekannt, dass die öffentliche Verschuldung Italiens im ersten Quartal die Rekordhöhe von acht Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreicht hatte - sieben Prozent mehr als zum Vergleichszeitraum des Vorjahres und fünf Prozent über der von der EU erlaubten Hürde. Zudem hatte die Monti-Regierung erst dieser Tage ein neues Arbeitsgesetz erlassen, dass drastische Einschnitte im Kündigungsschutz enthielt sowie weite Teile der arbeitenden Bevölkerung ins Prekariat schickt. Bereits jetzt liegt die Arbeitslosigkeit bei 9,7 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit sogar bei 36,5 Prozent. Keine guten Aussichten für die von Monti beschworene Wachstumspolitik.

Zusätzliche Bürde für die Gespräche: Merkel könnte von den römischen Partnern Garantien fordern, denn die Amtszeit Montis - der trotz der Einschnitte einiges Vertrauen genießt - geht in weniger als einem Jahr zu Ende. Und in welcher Konstellation ab Mai kommenden Jahres in Rom regiert wird, ist noch nicht abzusehen.

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