Nazis kaufen Häuser vom Land Thüringen
Minister weichen kritischen Fragen aus
Guthmannshausen/Crawinkel. Die rechtsextreme Szene in Thüringen wechselt ihre Strategie - und wird zum Immobilienbesitzer. Weil das Anmieten von Veranstaltungsräumen für NPD-Parteitage und rechtsextreme Konzerte immer schwieriger wird, kauften die Rechtsextremen im vergangenen Jahr mindestens drei Immobilien - zwei davon aus öffentlicher Hand. Fünf Objekte befinden sich zurzeit nachweislich im Besitz von Rechtsextremisten, vermutlich aber sind es bereits mehr.
Die Mobile Beratung in Thüringen gegen Rechtsextremismus (Mobit) lud in dieser Woche Politiker, engagierte Bürger und Journalisten auf eine Bustour zu den Gebäuden und den protestierenden Bürgern ein. Auch Sozialministerin Heike Taubert (SPD) und Innenminister Jörg Geibert (CDU) fuhren mit - zumindest kurz.
Die Tour zeigt neben den Häusern auch die zwei Strategien der Gemeinden auf, mit dem braunen Problem in der eigenen Nachbarschaft umzugehen. In Guthmannshausen, wo ein Mitglied eines bundesweit agierenden und vom Verfassungsschutz beobachteten Vereins vor einem Jahr ein altes Herrenhaus kaufte, dürfen die Teilnehmer der Bustour nicht aussteigen. Das sei Absprache mit der Gemeinde, sagt Sozialministerin Taubert entschuldigend. Ihr Ministerium gab einen Großteil der Gelder für die Bustour.
Die Gemeinde Guthmannshausen habe Angst, als »rechtes Nest« in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken, sagt Mobit-Mitarbeiter Fabian Wagner. Auch Angst vor Übergriffen von den Neonazis vor Ort könnte eine Rolle spielen, sagt er. Seit das gut 5000 Quadratmeter große Grundstück verkauft wurde, registrierte Mobit in Guthmannshausen bereits acht Wochenendveranstaltungen der rechten Szene. »Doch wir finden vor Ort kaum Ansprechpartner, um das Problem anzugehen«, sagt Wagner. Auch die Landesminister Taubert und Geibert gehen kritischen Fragen aus dem Weg und verlassen noch vor dem ersten offiziellen Halt den Bus.
Pikant: Verkäufer des »Rittergut« genannten Herrenhauses in Guthmannshausen ist ausgerechnet der Freistaat Thüringen. Der Verfassungsschutz habe vor dem Verkauf keine Hinweise auf Verbindungen in die rechtsextreme Szene gegeben, hieß es. »Den Handlungsmöglichkeiten des Staates sind recht bald Grenzen gesetzt«, sagt Innenminister Geibert am Rande der Bustour und fordert mehr bürgerschaftliches Engagement.
So eine Haltung nennt Crawinkels Bürgermeister Onno Eckart (SPD) »unverantwortlich«. Der 27 Jahre alte ehrenamtliche Bürgermeister der knapp 1500 Einwohner zählenden Gemeinde im Kreis Gotha stemmt sich vehement gegen den Verkauf eines Objekts an einschlägig bekannte Neonazis. Er wurde von einem Bürger auf neue braune Nachbarn aufmerksam gemacht.
Der Gemeinderat handelte schnell, änderte den Haushalt und machte von seinem Vorkaufsrecht für das Objekt an der Verbindungsstraße zwischen Gotha und Oberhof Gebrauch. Die vorläufigen Eigentümer, vier Musiker einer bekannten Neonazi-Band gingen in Widerspruch. »Ich bin sicher, dass wir in dem Streit siegen werden, aber es wird Jahre dauern«, sagt Eckart. Damit könnte Crawinkel die erste Thüringer Gemeinde werden, der es gelingt, den Verkauf einer Immobilie an die rechte Szene zu verhindern.
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