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- Anti-Kohlekraft-Bewegung
»RWE weiß nicht, was wir genau vorhaben«
Waldbesetzer trotzem Energiekonzern
Noch wird hier nicht abgerissen, sondern aufgebaut. Nina schwingt den Vorschlaghammer, rammt einen Holzpfeiler in den Waldboden. Äste werden zurecht gesägt, mit Band an den Pfeiler geknüpft. »Wir bauen gerade unser keltisches Wohnhaus aus, das ist quasi unser Wohnzimmer«, erläutert Nina, die Anti-Kohlekraft-Aktivistin. Im Wohnhaus stehen bereits ein paar Sofas (was nicht unbedingt ur-keltischen Traditionen entspricht!), auf denen junge Menschen entspannen, die sich nicht wirklich dem bürgerlichen Dress Code verpflichtet fühlen.
Das Wohnzimmer nach Keltenart, es steht mitten im Hambacher Forst, der seit April von meist linken Umweltschützern besetzt wurde. Sie wollen verhindern, dass der Forst – exakter das, was von dem 4500 Hektar großem Waldgebiet übrig blieb – gerodet wird. Vicky, eine Waldbesetzerin, macht Kletterübungen. »Wald statt Kohle« steht auf dem Transparent, vor dem sie turnt. Insbesondere mit Abseilaktionen wie bei Castor-Transporten sollen die Rodungsarbeiten behindert werden.
»Wir haben viele Erfahrungswerte von der Anti-AKW-Bewegung übernommen, aber auch von der schottischen Anti-Kohle-Bewegung und vom Kampf gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens«, sagt Peter, ein angehender Student. »Auch Beton wird bei unseren Aktionen eine Rolle spielen«, deutet der Besetzer an.
Der Hambacher Forst soll dem Braunkohletagebau Hambach weichen, der sich langsam durch das Rheinische Braunkohlerevier frisst – Wälder, Häuser, ganze Dörfer verschlingend. Ein paar hundert Meter entfernt vom Camp schreddert ein Arbeiter Äste bereits gefällter Bäume. Die Sonne scheint auf das gigantische Loch, das der Tagebau bereits hinterlassen hat. Bis 2045 soll es auf 85 Quadratkilometer anwachsen. Das entspricht einem Fünftel der Fläche Kölns, der viertgrößten Stadt Deutschlands.
85 Quadratkilometer? Und die Kohle verfeuert, ganz so, als gäbe es kein Klimaproblem? Das wollen die Besetzer verhindern. Wie auch in Schottland, England, den USA, angeblich sogar in China formiert sich auch in Deutschland eine Anti-Kohlekraftbewegung. Das Rheinische Braunkohlerevier zwischen Köln, Aachen und Mönchengladbach ist ihr Kulminationspunkt. Mancher träumt schon davon, dass das Revier zum Wendland der Kohlekraft wird, also für den Kampf gegen die Kohleverstromung eine ähnliche Bedeutung gewinnt wie die Region um Gorleben für den Widerstand gegen die Atomkraft.
Unterschiedliche Akteure – vom Bund für Umwelt- und Naturschutz und lokalen Bürgerinitiativen über Linkspartei-Aktivisten bis hin zu den eher anarchistischen Waldbesetzern – wehren sich gegen einen Konzern, der hier vielen als übermächtig erscheint: RWE betreibt im »Revier« einige der klimaschädlichsten Braunkohlekraftwerke der Welt, darunter jenes in Niederaußem, in dem ein Großteil der Kohle aus dem Tagebau Hambach verfeuert wird.
Waldbesitzer RWE duldet die Besetzung. Noch. »Die wollen keine negative Publicity«, sagt Waldbesetzer Peter. Noch gerät man sich ja noch nicht wirklich in die Quere. Regelmäßig besuchen Schulklassen und interessierte Bürger die Waldbesetzer – das Thema Klimaschutz ist schließlich auf dem Lehrplan angekommen. Vom 31. Juli bis zum 8. August wird ein Klimacamp statt finden: Wie bereits im Vorjahr in der Ortschaft Manheim, die in den nächsten Jahren den Baggern zum Opfer fällt und nicht weit entfernt liegt von der Waldbesetzung. Vom 29. September bis zum 3. Oktober ist eine »Aktionswoche« angesetzt. Der Termin ist wohl gewählt: Ab Anfang Oktober darf RWE mit den Rodungsarbeiten beginnen.
Ja, RWE habe Zeit und könne ein paar Wochen warten, bestätigt Peter die defätistische Reporter-Frage. Und nein, die Besetzer wüssten nicht, wann der Energiekonzern mit dem Fällen der Bäume beginnen wird. »Aber RWE weiß auch nicht, was wir genau vorhaben, wie weh wir ihnen tun können«, sagt Peter und lächelt fast schon ein wenig sadistisch.
In der Zwischenzeit richten sich die Besetzer ein. Ein Hochsitz mit drei Plumpsklos darauf, eine Dusche mit Wasserbeuteln, die sich im Sonnenlicht erhitzen, eine Küche, ja selbst ein Umsonstladen – all das haben die meist jungen Leute schon im Forst errichtet. Über dem Camp schwebt ein Hängebrücke, die bereits im Kampf gegen das Hamburger Steinkohle-Kraftwerk Moorburg Dienst tat. Das Wasser wird von kohlekritischen Nachbarn gespendet. Die Besetzer karren es in großen Kanistern herbei. Manchmal mit dem Auto, oft mühsam mit dem Fahrrad. Und natürlich verfügen sie auch über eine eigene Webseite.
Noch kann der Wind zwischen den Pfeilern des Kelten-Hauses durchdringen. Doch nicht mehr lange: »Das wird hier alles mit Lehm verputzt, dann stellen wir einen Ofen rein und das Haus wird beheizbar«, sagt Nina, wischt sich den frischen Sommer-Schweiß von der Stirn und lächelt. Notfalls wollen sie hier überwintern können.
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