Mitten im »Schweinezyklus«
Länder weisen Verantwortung für den Rückgang des sozialen Wohnungsbaus zurück
Die frühere Präsidentin des Mieterbundes, Anke Fuchs, hatte für das Auf und Ab auf dem Wohnungsmarkt stets das Stichwort »Schweinezyklus« auf den Lippen. Gibt es genug Schweinefleisch, bauen Landwirte ihre Aufzuchtkapazitäten ab - bis Schnitzel und Eisbeine rar werden. Zeitversetzt beginnt dann die neue Ferkelei. Dass derjenige, der zu früh auf den demnächst ganz sicher eintretenden Mangel aufmerksam macht, kaum Gehör findet, wissen gerade Mietervertreter nur allzu gut. Seit Jahren schon warnt der Dachverband der 320 Mietervereine in Deutschland vor zunehmender Wohnungsnot und fehlenden Sozialwohnungen - und erntete lediglich Abwinken. Jetzt zeigt sich: Nur noch jede 13. Wohnung in Deutschland ist eine Sozialwohnung. Mieterbundsprecher Ulrich Ropertz verweist darauf, dass es bundesweit davon derzeit so um die 1,5 Millionen gibt - mit sinkender Tendenz. Jährlich, so Ropertz, würden weniger als 10 000 Sozialmietwohnungen gebaut, nötig seien aber mindestens 40 000.
Vermutlich hat die schlechte Nachricht irgendwann auch den Bundesbauminister von der CSU erreicht. Weshalb er via »Bild«-Zeitung die Bundesländer zu mehr Anstrengungen im sozialen Wohnungsbau aufforderte. »Wohnen darf nicht zum Luxus werden«, schrie er auf und beschuldigte die Kollegen in den Ländern, die vom Bund bereitgestellten Finanzmittel von 518 Millionen Euro nicht sachgerecht für den sozialen Wohnungsbau einzusetzen, sondern »offenbar für andere Sachen« auszugeben. Dass er damit auf wenig Gegenliebe stoßen würde, hätte der ansonsten für seinen Feinsinn bekannte Mann sich denken können. Nicht nur, dass die Landesregierungen auf dpa-Nachfrage kundtaten, die Bundesmittel ausschließlich für den vorgesehenen Zweck einzusetzen. Sie teilten zudem in der Mehrzahl den dramatischen Befund des CSU-Politikers nicht - und wollen oder können keinen Sozialwohnungsmangel in ihrem Land ausmachen.
Anders die Linksfraktion im Rat der Stadt Köln, die jüngst mitteilte, dass nur noch sieben Prozent aller Wohnungen in der Domstadt Sozialwohnungen sind, obwohl 45 Prozent aller Kölner Haushalte Anspruch auf eine geförderte Wohnung haben. Auch in Düsseldorf fehlen laut Mieterbund 6300 Mietwohnungen. Vielleicht im Wissen darum depeschierte NRW-Bauminister Michael Groschek (SPD) genervt an Ramsauer: »Wir brauchen jetzt keine guten Ratschläge, sondern endlich Klarheit, wie es mit den Bundesmitteln nach 2013 weitergeht«. Groschek ist mit dieser Forderung nicht allein. Auch aus seiner Heimat Bayern wurde Ramsauer darauf hingewiesen, dass »die ungeschmälerte Fortführung der Kompensationsleistungen des Bundes an die Länder nach 2013 unabdingbar« sei.
Der Wink mit dem Zaunpfahl kommt nicht von ungefähr: Ramsauer hatte schlicht »vergessen«, dass er seit Monaten die Auskunft schuldig geblieben war, wie es mit den Bundesfinanzleistungen nach der nächsten Bundestagswahl weitergeht. Grund für Ropertz ihn darauf hinzuweisen, dass es sich beim sozialen Wohnungsbau um eine »Gemeinschaftsaufgabe« von Bund und Ländern handelt. IG BAU-Chef Klaus Wiesehügel wiederum erinnert daran, dass sich Bund und Länder mit der Föderalismusreform auf eine Trennung der Aufgaben geeinigt und Pflichten wie beim sozialen Wohnungsbau auf die Länder verlagert hätten. Es könne jedoch nicht sein, so Wiesehügel, dass sich der Bund gleichzeitig weigere, den Ländern die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen.
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