»Große Form der Anerkennung«
Der Pokal zum »nd-Sportler des Jahres« gibt Philipp Boy den letzten Schub in der Olympiavorbereitung
Die Oberarmmuskeln sind zum Zerbersten angespannt. Auf der hochroten Stirn pulsieren Adern. Vizeweltmeister Philipp Boy aus Cottbus stützt sich gerade, quer in der Luft liegend, auf wacklige Ringe, den Kopf nach vorn, die Beine nach hinten gestreckt zu dem Element, das sich »Schwalbe« nennt. So leicht es klingt, so schwer sieht es aus. Das Training in der direkten Olympiavorbereitung in der Turnhalle von Kienbaum ist hart, die härteste Zeit des Jahres liegt aber schon hinter Boy. Die verbrachte er im Krankenbett. Erst machte das Handgelenk Probleme, dann der Rücken. Jetzt ist Philipp Boy froh über andere Schmerzen. Jene, die ihm in London eine Medaille bringen sollen.
Eine kleine Portion zusätzlicher Motivation im eintönigen Trainingsalltag ist ihm da der Pokal zum »nd-Sportler des Jahres 2011«. Die Leser hatten ihn Ende des Jahres für seine großartigen Leistungen bei Europa- und Weltmeisterschaften mit ihren Stimmen belohnt. »Ich liebe solche Pokale«, sagt Boy. »Die stelle ich mir immer gern überall in meine Wohnung. Der Preis ist viel mehr wert als der einer Jury. Ich weiß jetzt, dass viele Leser hinter mir stehen. Das ist eine große Form der Anerkennung.«
Die Auszeichnung erinnere ihn an ein wunderbares Jahr. »Das beste überhaupt in meiner Karriere.« Nach Mehrkampfgold bei der EM in Berlin wurde er in Tokio auf dramatische Weise erneut Vizeweltmeister. Vor dem letzten Auftritt an seinem Paradegerät, dem Reck, hatte Boy nicht einmal auf einem Medaillenplatz gelegen, doch eine perfekte und zugleich schwierige Übung spülte ihn wie ein Jahr zuvor in Rotterdam noch bis auf Platz zwei vor. Doch damit soll nicht Schluss sein - schon gar nicht im olympischen Jahr. »Die letzten zwei Jahre waren doch eine wundervolle Vorbereitung für London«, so Boy.
Selbstvertrauen hat er durch die Medaillen getankt, doch viel übrig ist davon nicht mehr. Die Verletzungen an Hand und Rücken haben ihn zu viel Trainingszeit gekostet. »Ein paar Tage vor der letzten Qualifikation lag ich im Bett und konnte mich nicht bewegen. Hätte ich nicht turnen können, wäre mein Traum vorbei gewesen«, sagt Boy und will es dabei belassen. Außer ein paar Wehwehchen ginge es ihm nun gut. »Ich habe keine Lust mehr, über Verletzungen zu sprechen. Das muss raus aus dem Kopf.«
Mit den Gegnern will er sich auch nicht beschäftigen. »Wir haben mit uns selbst genug zu tun. Wir wissen: Die Konkurrenz schläft nicht. Aber Medaillen gewinnt nur, wer am wenigsten Fehler macht«, sagt Boy, der zumindest keinen zu hohen Druck von außen mehr verspürt. »Vor der EM habe ich mir ins Hemd gemacht, und danach hat sich gar nichts verändert. Das wird bei Olympia nicht anders sein. Ich will einen fehlerfreien Wettkampf turnen. Mehr kann ich ohnehin nicht machen.«
In London wird Boy seinen 25 Geburtstag verbringen. Denn »gefeiert wird kurz vor den Wettkämpfen nicht mehr.« Boy kennt das. Beim 18. und 20. Geburtstag war er in Kienbaum und trainierte für Höhepunkte. Für Jubel war immer später Zeit. Vielleicht auch für einen weiteren nd-Pokal am Ende des Jahres.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.