Alarmglocken auf dem Bau
Ob Bauarbeiter, Busfahrer oder ärmere Londoner - von Olympia profitieren sie bisher nicht
Am 27. Juni ließ der Londoner Bürgermeister Boris Johnson die »olympische 30-Tage-Glocke« läuten. Damit sollte den Olympia-Verantwortlichen eingeschärft werden, noch mal besonders intensiv ranzuklotzen. Doch es liegt Unfrieden in der olympischen Luft, und das nicht nur wegen der Boden-Luft-Raketenstellungen, die das Verteidigungsministerium auf Londons Dächern errichten lässt.
Auf die Arbeitnehmer kommt in den zwei Monaten, in denen die Spiele in London gastieren, einiges zu: Die Auslastung der U-Bahnen wird 200 Prozent betragen. Handykommunikation wird gestört sein, allein arbeitenden Menschen wird empfohlen, sich Handfunkgeräte zuzulegen. Manche Arbeitgeber, zum Beispiel die Stadtverwaltung des Bezirks Tower Hamlets, funktionieren Büros in Schlafräume um. Dort sollen deren Beschäftigte während der Spiele nächtigen. Urlaub wird gestrichen.
Viel war von positiven Folgen die Rede, die Olympia namentlich für die ärmeren Londoner Stadtteile haben soll, in denen die Erwerbslosigkeit bei 7,5 Prozent liegt. Vor allem von hier sollte Personal für die Spiele angeworben werden. Doch nur 25 Prozent aller bei Olympia Beschäftigten kommt aus Vierteln wie Newham.
Während der Bauphase kamen die Spiele wegen Arbeitnehmerfeindlichkeit ins Gerede. Den am olympischen Park beteiligten Firmen wurde nachgewiesen, sich an einer schwarzen Liste gegen Gewerkschafter beteiligt. Publik wurde der Fall des Elektrikers Frank Morris. Während er am olympischen Medienzentrum arbeitete, deckte er auf, dass zwei Kollegen entlassen wurden, weil sie als aktive Gewerkschafter auf der Liste standen. Als er das öffentlich machte, wurde er an einen isolierten Arbeitsplatz versetzt und von Vorgesetzten körperlich bedroht. Auf der Liste stehen 3400 Bauarbeiter sowie gewerkschaftsfreundliche Journalisten und Akademiker. Inzwischen ist bekannt, dass Geheimdienste und Polizei den Unternehmen zugearbeitet haben. Bis heute verweigert die Regierung einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Thema.
Außerdem existierte eine separate Liste über Aktivisten der Transportarbeitergewerkschaft RMT. Diese hatte in den vergangenen Monaten wegen Olympia einige Auseinandersetzungen zu bestehen. Meist ging es dabei um den olympischen Bonus für Eisenbahner. Die Führungskräfte der Londoner Verkehrsbehörde genehmigten sich einen Zuschlag von 80 000 Pfund pro Kopf. Die RMT konnte nach langem Kampf bei einigen Firmen erreichen, dass auch die einfachen Arbeiter eine Prämie erhielten, zum Beispiel Reinigungskräfte der Virgin/Alstom West, die eine Einmalzahlung von 400 Pfund bekommen. Bei anderen Firmen laufen Urabstimmungen. RMT droht mit Streiks während der Spiele, falls die Forderungen nicht erfüllt werden.
Doch es geht nicht nur um Geld: Am 27. Juni leitete RMT eine Urabstimmung bei den U-Bahnern ein. So soll verhindert werden, dass während der Spiele unausgebildetes Bahnsteigpersonal eingesetzt wird. Dies könnte katastrophale Auswirkungen haben, sagte RMT-Generalsekretär Bob Crow.
Von der RMT lernen, heißt siegen lernen, dachten sich die 24 000 Busfahrer Londons und bestreikten am 22. Juni die Busunternehmen. Sie fordern einen Olympiabonus von 500 Pfund pro Kopf. 800 000 zusätzliche Passagiere sollen während der Spiele transportiert werden. Bislang reagierten die Arbeitgeber nicht, doch die Busfahrergewerkschaft UNITE gibt sich kampfbereit. Wenn alles nichts hilft, will man Olympia selbst bestreiken. Da bimmeln bei Boris Johnson die Alarmglocken.
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