Kuba erneuert alte Freundschaften
Raúl Castro plädiert für den Ausbau der Handelsbeziehungen mit China, Vietnam und Russland
Es eint sie weit mehr als das sie trennt: Kuba und China. Abgesehen von einigen ernsthaften Reibereien vor Jahrzehnten um Führungspositionen in der Dritten Welt »hat uns China während der schwersten Jahre unserer Sonderperiode taktvoll und verschwiegen unschätzbare Hilfe geleistet«, rühmte Raúl Castro bereits 2005 den solidarischen Geist der Chinesen.
Die Volksrepublik China hat weltweit die zweitgrößten Dollarreserven gebunkert. Von Chinas Solvenz hat Kuba profitiert. China hat dem karibischen Partner großzügige Kredite mit langen Laufzeiten zinslos oder mit geringen Zinsen zugestanden. Über die Höhe der Summen schweigen beide Seiten. Das Handelsvolumen 2011 wurde mit 1,9 Milliarden Dollar ausgewiesen. Und so finden sich chinesische Produkte hier überall: Lokomotiven, Busse, Kleidung, Erdöl, Werkzeuge, Unterwäsche, Farben, Klebstoff, Pkws, Schwellen, Schreibwaren, 1,2 Millionen Fahrräder ...
China ist der weltgrößte Produzent von nichtrostendem Stahl. Dazu braucht man Nickel, Kuba hat es, mit Reserven von mindestens 800 000 Tonnen.
Diesmal verließ Castro China mit acht neuen Verträgen und der Zusicherung der Gastgeber, auch in Zukunft ein stabiler und vertrauenswürdiger Partner zu sein. Er revanchierte sich mit einer nichtprotokollarischen Geste, die sogar dem meist würdevoll dreinblickenden Präsidenten Hu Jintao ein Lächeln entlockte. Raúl sang: »Osten erblüht, China ist jung« auf Chinesisch. Er verriet, dass er das Lied vor 60 Jahren auf einem Jugendkongress lieben gelernt hat.
Zweite Reisestation war Hanoi. Die Beziehungen zu Vietnam sind emotionsgeladen. Kuba war das erste Land, das im Juli 1962 die Nationale Befreiungsfront Südvietnams wie eine Regierung anerkannte. 1969 wurde im südvietnamesischen Dschungel die erste kubanische Botschaft auf vietnamesischem Boden errichtet. Fidel Castro bot der nordvietnamesischen Regierung Militärhilfe an, entsandte eine Gruppe von Kampfflugzeugpiloten, die allerdings nicht eingesetzt wurden. Und »als die revolutionären Streitkräfte Kubas 1980 begannen, ihre Spezialeinheiten zu formieren, waren unsere besten Ausbilder vietnamesische Offiziere«, erinnerte sich Raúl Castro.
Das Verhältnis beider Länder zueinander kennt jedoch nicht nur die militärische Seite. Hilfe leisten vietnamesische Agronomen und Bewässerungstechniker zum Beispiel bei der Züchtung von klimaresistentem Reis, der auch die nötigen Erträge abwirft, um Kubas Importe in Höhe von 350 000 Tonnen zu senken. Vietnam exportiert einen Teil des benötigten Hauptnahrungsmittels zu moderaten Preisen, einige Male sogar waren die Lieferungen gratis.
Vietnam, ebenso wie China und Russland, sucht mit der kubanischen Erdölgesellschaft CUPET im Golf von Mexiko Erdöl. Kuba seinerseits hat Tausende vietnamesische Mediziner ausgebildet. Dieser Besuch diente vor allem dazu, die vietnamesischen Erfahrungen bei seiner »Erneuerung des Sozialismus« mit der kubanischen »Aktualisierung« zu vergleichen.
In Russland, das erst in letzter Minute in den Reiseplan aufgenommen worden war, empfingen Präsident Wladimir Putin, Ministerpräsident Dmitri Medwedjew und der Sekretär des russischen Sicherheitsrates General Nikolai Patruschew die kubanischen Gäste. Putin sagte, Kuba sei nicht nur ein Alliierter, sondern ein guter Freund. Mit Erstaunen vernahm man in Kuba Putins beiläufige Bemerkung, vor Kurzem habe man den 110. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen gefeiert. Nach mehreren Telefonaten erhielt »nd« die Bestätigung: Ja, das stimmt. 1902 hatten die Außenpolitiker des Zaren Nikolai tatsächlich mit den zuständigen Herren der gerade von den USA in ihre zweifelhafte Unabhängigkeit entlassenen kubanischen Regierung diplomatische Beziehung aufgenommen. Der spätere Diktator Batista brach sie 1952 ab, Fidel Castro nahm sie 1960 wieder auf. Seither, sagte Putin, hätten die Beziehungen »verschiedene Umstände durchgemacht«. Inzwischen hat sich der Pragmatismus auf beiden Seiten durchgesetzt.
2009, ein Jahr nach seiner Ernennung zum Präsidenten, war Raúl Castro mit großem Gefolge in Moskau, um mit Putin »neuen Schwung in unsere Beziehung zu bringen«. Und diesmal ging es darum, »uns in dieser komplizierten Welt den neuen Situationen anzupassen und zu überprüfen, ob unsere Abkommen von 2009 noch einmal überarbeitet werden müssen«, wie Medwedjew sagte. »Wir sind pragmatisch geworden«, bekräftigte Putin. Er trug Raúl Castro jedoch auf, »unseren großen Freund Fidel Castro« zu grüßen.
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