Eine Ohrfeige reicht nicht
Sächsischer Landkreis geht gegen Urteil zu Extremismusklausel des Bundes in Revision
Man befinde sich in einer »unglücklichen Position« - dieses Eingeständnis rang sich Jana Leikauf, die Juristin des Landkreises Sächsische Schweiz / Osterzgebirge, im April ab. Die Kommune hatte sich vor dem Verwaltungsgericht Dresden gerade eine Ohrfeige abgeholt - stellvertretend für das Bundesfamilienministerium unter Kristina Schröder (CDU). Das knüpft die Vergabe von Fördergeldern an die Unterzeichnung einer Klausel, mit der sich die Empfänger staatlicher Zuwendungen zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen und sich auch für die Verfassungstreue ihrer Partner verbürgen müssen. Das Gericht hatte die Klausel kassiert: Es sei, so das Urteil, »nicht klar und unzweideutig erkennbar«, was vom Geldempfänger »verlangt wird«.
Diese Ohrfeige in erster Instanz reicht dem Landkreis aber offenbar nicht: Wie jetzt bekannt wurde, legt er Berufung beim Oberverwaltungsgericht in Bautzen ein. Diese hatte das Dresdner Gericht nicht zuletzt wegen der »grundsätzlichen Bedeutung« des Verfahrens zugelassen. In diesem stehen sich der Landkreis und der Pirnaer Verein Akubiz gegenüber. Ersterer erhält vom Schröder-Ministerium Geld für einen lokalen Aktionsplan. Der Verein wiederum beantragte aus dem Topf 600 Euro für ein Projekt, mit dem an ein KZ-Außenlager in Königstein erinnert werden sollte. Die Extremismusklausel lehnt der Verein aus grundsätzlichen Erwägungen ab; er sieht darin, wie Anwalt Robert Uhlemann formulierte, eine »Gesinnungsüberprüfung«. Er hatte daher Ende 2010 unter großem Aufsehen bereits einen mit 10 000 Euro dotierten Demokratiepreis ausgeschlagen. Dessen Empfänger sollten auf Drängen von Sachsens Regierung auf eine ähnliche Klausel verpflichtet werden.
Dass zumindest ihr Pendant auf Bundesebene kaum noch haltbar ist, hatte das Dresdner Urteil eigentlich deutlich erkennen lassen. Zwar nahmen die Richter keinen Anstoß daran, dass die Geldempfänger sich zu einer »den Zielen des Grundgesetzes förderlichen Arbeit« verpflichten müssen.
Keine Gnade fanden indes die Passagen, wonach Initiativen »auf eigene Verantwortung« dafür Sorge tragen müssen, dass auch Partner sich zum Grundgesetz bekennen. Sie sollten sich zudem »bewusst sein«, dass, wie es heißt, »keinesfalls der Anschein erweckt werden (darf), dass eine Unterstützung extremistischer Strukturen« erfolge. Diese Sätze seien »zu unbestimmt«, urteilte das Gericht. So sei nicht erkennbar, auf welche Weise ein Verein die Partner überprüfen solle oder auf wessen Bewertung er sich dabei berufen kann. Unklar sei auch, woraus hervorgeht, dass er mit dem richtigen Bewusstsein hinsichtlich der extremistischen Strukturen handelt: Bewusstsein, geben die Richter zu bedenken, sei ein »innerer Vorgang, der letztlich nicht prüfbar ist«. An welchem Handeln ungenügendes Bewusstsein zu messen wäre, geht auch aus inzwischen erarbeiteten Handreichungen des Ministeriums für die Fördergeldempfänger nicht hervor.
Angesichts dessen sehen Demokratieinitiativen der Verhandlung in Bautzen »entspannt entgegen«, wie es Timo Reinfrank von der Amadeu-Antonio-Stiftung formuliert. Er hoffe, dass die Ministerin »endlich von der Extremismusklausel Abstand nimmt«. Der Rechtsweg, ergänzte Friedemann Bringt von der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus, solle »nicht die Ebene sein«, auf der sich Demokratievereine mit Behörden auseinander setzen. Kati Lang von der Beratungsstelle RAA Sachsen sagte, es sei »einer demokratischen Gesellschaft unwürdig«, Initiativen zur Bespitzelung ihrer Partner aufzufordern. Die Vereine hoffen nun, dass - wenn die Ministerin schon keine Einsicht zeugt - bald ein weiteres Gericht dem »Bekenntniszwang« ein Ende setzt.
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