Putsch im Auftrag der Agraroligarchie
In Paraguay wird der Landraub nach dem Coup gegen den Präsidenten Fernando Lugo beschleunigt
Der Putsch hat Walter Lezcano arbeitslos gemacht. Vor zehn Tagen verlor der linke Agraringenieur seinen Posten als Inspektor der paraguayischen Behörde für Pflanzenqualitätskontrolle und Saatgutschutz (Senave). Unter Präsident Fernando Lugo hatte er versucht, auf dem Land für die Einhaltung der Gesetze zu sorgen, etwa bei der Besprühung von Gensojaplantagen mit dem Monsanto-Herbizid Round-up. Er ließ illegale Genmaisfelder zerstören und beschlagnahmte das geschmuggelte Saatgut. Als Mitglied der kleinen Linkspartei »Bewegung zum Sozialismus« setzte er sich für die Rechte der Landlosen ein.
Doch dann wurde Lugo am 22. Juni von der konservativen Senatsmehrheit abgesetzt. Vorwand war eine Schießerei bei einer Räumung von Landlosen in der nordöstlichen Gemeinde Curuguaty, bei der elf Kleinbauern und sechs Polizisten starben. Zwei Monate lang hatten 60 Landlose die weitläufige Farm des Unternehmers und Politikers Blas Riquelme besetzt gehalten. Es war ein kleiner Teil jener 50 000 Hektar, die ihm sein Parteifreund, der Diktator Alfredo Stroessner, in den 70er Jahren zugeschanzt hatte.
Für das Blutbad machten die Parlamentarier Lugo verantwortlich, ausgerechnet jenen fortschrittlichen Exbischof, der 2008 die 61-jährige Herrschaft von Riquelmes und Stroessners Colorado-Partei beendet hatte. Wahrscheinlich gehen die sechs toten Soldaten auf das Konto von Scharfschützen, doch die genauen Umstände bleiben ebenso wie die Hintermänner bislang im Dunkeln. »Es war eine vorbereitete Aktion«, sagte Senator Sixto Pereira, ein Vertrauter Lugos, »vielleicht stecken die örtlichen Großgrundbesitzer dahinter, oder Drogenhändler. Bis heute blockiert die Regierung von Lugos rechtem Exvize und Nachfolger Federico Franco eine unabhängige Untersuchung.
So nebulös die Hintergründe des Massakers und so abenteuerlich die Begründung des unblutigen Parlamentsputsches ist, so wenig Zweifel bestehen über den neuen Regierungskurs. Francos Getreue entfernten über 2000 Lugo-Sympathisanten aus dem Staatsdienst. Allein in der Pflanzenschutzbehörde Senave wurden 170 Funktionäre entlassen, über zwei Drittel der Belegschaft.
Als neuen Chef der Behörde setzte Franco Tage nach dem Putsch Jaime Ayala ein, zuvor Direktor der Firma Pacific Agroscience. Als erste Maßnahme gab Ayala grünes Licht für die Monsanto-Gentech-Baumwolle vom Typ MON531-Bollgard, gegen deren Zulassung sich sein Vorgänger erfolgreich gewehrt hatte. Das brachte ihm eine monatelange Medienkampagne unter Führung der größten Tageszeitung »ABC Color« ein. Die wiederum gehört der Zuccolillo-Gruppe, einem Partner des US-Agrarmultis Cargill.
»Das neue Saatgut richtet sich gegen uns Kleinbauern«, meint Aktivist Jorge Galeano, sie sei nur für große, mechanisierte Plantagen geeignet. »Arbeitslosigkeit und Umweltverschmutzung werden zunehmen«, sagt er voraus. Da die Genbaumwolle nicht von Menschen verzehrt werde, gäbe es keine Gesundheitsrisiken, erklärte hingegen Senave-Chef Ayala.
Zusammen mit ihren Verbündeten in Parlament, Justiz und Medien hatten die großen Landbesitzer, darunter Zehntausende »Brasiguayos«, in Paraguay ansässige brasilianische Sojafarmer, Lugos Versuche zu einer Agrarreform blockiert. Doch immerhin wollte der linke Staatschef die Steuern auf Sojaexporte von drei auf zwölf Prozent erhöhen - die Exporte machen ein Zehntel des Bruttoinlandsprodukts aus. Davon ist nun keine Rede mehr.
Unaufhaltsam rückt die Sojafront vor. Die riesigen Felder mit den proteinhaltigen Bohnen machen bereits drei Viertel der gesamten Nutzfläche aus. Neben brasilianischen Farmern profitieren auch Monsanto, Cargill, Syngenta, ADM oder Bunge sowie Spekulanten und Investoren aus Übersee davon. So ist DWS, ein Agrarfonds der deutschen Bank, am argentinischen Konzern Cresud beteiligt, der wiederum Land in Paraguay besitzt.
Selbst für lateinamerikanische Verhältnisse ist die Landverteilung obszön: 2,5 Prozent der Landbesitzer kontrollieren 85 Prozent des Grund und Bodens, noch immer harren an die 90 000 Landlosenfamilien in Camps an Straßenrändern aus.
Exportiert wird das Futtermittel Soja zu zwei Dritteln nach Europa. Nicht nur auf die Artenvielfalt, sondern auch auf die Gesundheit der Landbevölkerung wirken sich die riesigen Gensoja-Monokulturen fatal aus. Wegen der wachsenden Resistenz von Unkraut gegen Round-up oder seine chinesischen Billigimitate wird immer mehr versprüht, rund 20 Millionen Liter pro Jahr.
In den letzten 30 Jahren vertrieben Soldaten und Paramilitärs fast 100 000 Kleinbauern und Indigene von ihrem Land, über 100 ihrer Sprecher wurden ermordet. Während dafür gerade ein Täter hinter Gittern landete, wurden über 2000 Bauern wegen Widerstandes gegen die Sojaindustrie angeklagt. Unter Franco dürfte sich die Repression verschärfen, fürchtet Jorge Galeano.
»Deshalb gibt es zu unserer Strategie des friedlichen Widerstands keine Alternative«, meint der geschasste Saatgutinspektor Walter Lezcano. Bei den Wahlen im April 2013 möchte für das Linksbündnis Frente Guazú in das Abgeordnetenhaus einziehen.
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