Messerwetzen in Mainz
Krisensitzung im rheinland-pfälzischen Landtag wegen des Nürburgrings - Beck lehnt Rücktritt ab
Mainz (dpa/nd). Das Nürburgring-Debakel hat auch Folgen für die Urlaubsplanung der Politiker: Denn die Krisensitzung des rheinland-pfälzischen Landtags heute ist die erste Sondersitzung des Parlaments in den Schulferien seit mehr als einem halben Jahrhundert. Zuvor wetzte die Opposition bereits standesgemäß die Messer. Und es mehren sich die Stimmen, die nun auch die Förderbank des Landes in Gefahr sehen.
CDU-Oppositionschefin Julia Klöckner warnte am Montag, bewahrheiteten sich neue Befürchtungen, gefährde die Regierung ihre eigene Investitions- und Strukturbank (ISB). »Es droht, dass nun möglicherweise die gesamte Mittelstandsfinanzierung des Landes infrage gestellt wird.« FDP-Landeschef Volker Wissing stößt ins selbe Horn: Eine Pleite der ISB käme »einer Kernschmelze der rheinland-pfälzischen Wirtschaftsförderung gleich«. Das hätte unabsehbare Folgen für die Wirtschaft des Landes. Die FDP war 2011 aus dem Landtag geflogen. Laut einem neuen Gutachten im Auftrag der CDU darf der 330-Millionen-Euro-Kredit der ISB für den Nürburgring-Ausbau, den die insolvente Besitzgesellschaft nicht mehr bedienen kann, nun nicht mit einer Landesrücklage von 254 Millionen Euro teilweise gezahlt werden. Ein solcher Verstoß gegen EU-Beihilferecht könne zur Pleite auch der Bank führen. Wer dabei mithelfe, könne sich sogar wegen Untreue strafbar machen. Die Brisanz: Heute will die Landesregierung auch die Zustimmung des Haushaltsausschusses zur Ablösung des Kredits mit der Landesrücklage einholen.
Das Finanzministerium wies die Vorwürfe zurück. Die ISB sei ein verlängerter Arm der öffentlichen Hand und im Verhältnis zum Land »beihilfefrei«. Das Infrastrukturministerium wiederum wies die Möglichkeit von angeblicher Untreue im Landtag zurück. Abgeordnete seien vor gerichtlicher Verfolgung wegen ihres Stimmverhaltens durch die sogenannte Indemnität geschützt. Diese könne im Gegensatz zur Immunität auch nicht vom Parlament aufgehoben werden.
Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) erklärte in der »Süddeutschen Zeitung«, es tue ihm »mehr als nur leid«, dass seine Regierung das Großprojekt eines Freizeitparks am Ring früher nicht anders beurteilt habe. »Jetzt zeigt sich, das ist zu groß geraten«, sagte Beck. Er übernehme die »Gesamtverantwortung« für die jetzige Lage. Einen Rücktritt, wie von der Opposition gefordert, lehnt der Regierungschef aber ab.
Der Vertrauensverlust für Beck hält sich trotz der Turbulenzen in Grenzen. Bei einer Umfrage für die Tageszeitung »Die Rheinpfalz« sagten 40 Prozent der Wähler, der SPD-Politiker solle bleiben. 35 Prozent der Befragten waren dafür, dass er das Amt abgibt. 25 Prozent erklärten, keine Meinung zu haben oder keine Angaben machen zu wollen. Gestützt wird der Ministerpräsident demnach vor allem von den Wahlberechtigten in der Pfalz: Von ihnen sind sogar 44 Prozent für den Verbleib Becks, nur 29 Prozent befürworten einen Rücktritt.
Am Montagabend traf der Sanierungsgeschäftsführer der insolventen Nürburgring GmbH, Thomas B. Schmidt, beim Runden Tisch an der Rennstrecke mit Gewerkschaften, Betriebsräten und Politikern zusammen. Auch Infrastrukturminister Roger Lewentz (SPD) und der Chef der grünen Landtagsfraktion, Daniel Köbler, hatten sich dort angekündigt.
Ver.di-Landeschef Uwe Klemens sprach sich bei dem Treffen dafür aus, dass der Nürburgring auch künftig im direkten Einflussbereich des Landes bleibt. »Das Insolvenzverfahren bietet die Möglichkeit, den Nürburgring wirtschaftlich zu gestalten. Ganz schlecht wäre es, wenn der Kernbereich in irgendeiner Panikaktion verschleudert wird. Das Land muss im Rennen bleiben, um für sichere und faire Jobs zu sorgen.«
Die Chancen eines Insolvenzverfahrens hob auch der Sanierungsgeschäftsführer hervor: Der Nürburgring könne so ohne Altlasten in die Zukunft starten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.