Erst eine Idee, jetzt ein Verein und bald eine ganze Bibliothek
Seit sieben Monaten sammelt Rolf Funda Lebenserinnerungen von DDR-Bürgern - seit gestern tut er das nicht mehr allein
Den Gründungsort für den Verein »Erinnerungsbibliothek DDR« im Berliner nd-Gebäude am Franz-Mehring-Platz hat der 72-jährige nicht von ungefähr gewählt. Schließlich hat eine Veröffentlichung in »seiner« Tageszeitung seit dem 24. Dezember 2011 Rolf Funda eine Menge Freude, aber auch viel Arbeit beschert. Damals war ihm die Idee, Biografien Ostdeutscher zusammenzutragen, um sie der Nachwelt zu erhalten, nur vage im Kopf rumgeschwirrt. Das war, nachdem er sein 400 Seiten starkes »Werk« über sein Leben als Tierarzt, erster SED-Kreissekretär, PDS-Landtagsabgeordneter und Bürgermeister geschrieben hatte, das zunächst nur für die eigenen Nachkommen gedacht war. Auch ihn hatte das Bedürfnis getrieben, »den Alltag in der mickrigen kleinen DDR zu beschreiben und das Urteil nicht nur jenen zu überlassen, die entweder nicht hier gelebt haben oder zu DDR-Hassern mutiert sind«. Denn: »Die DDR war mehr als Stasi, Mauer, Unrecht und Grau in Grau«, erklärte er gestern in Berlin und erntete dutzendfaches Kopfnicken. Und weil Funda wusste, dass unzählige solcher Biografien im Osten - Künstlern, Politikern, Diplomaten, Sportlern oder Normalbürgern aus ähnlichen Überlegungen aufgeschrieben - entstanden sind, machte er im »nd« seinen Traum von einer Bibliothek der Erinnerungen öffentlich.
Mit den Folgen des nd-Beitrages hat er bis heute zu tun. Und zwar in einer Dimension, die er so nicht erwartet hatte. Aber Funda kann dem durchaus etwas abgewinnen. »Ich fühle mich beinahe jeden Tag, als wenn Weihnachten wäre«, gestand er gestern den etwa 50 Vereins-Gründungsmitgliedern, die teilweise von weither nach Berlin gekommen waren. Päckchen über Päckchen geht bei ihm in Staßfurt ein - die Sammlung an DDR-Biografien wird immer größer, und mit ihr auch die Verantwortung. »Die Verpflichtung, mit diesen einmaligen zeitgeschichtlichen Dokumenten sorgsam umzugehen, sie für eine Zeit, die lange nach uns kommt, zu sammeln, verlangt einfach neue Lösungen, die unabhängig von einzelnen Personen sind«, erklärte der nunmehr erste Vorsitzende des »Vereins Erinnerungsbibliothek«.
In den vergangenen sieben Monaten der Entstehungsgeschichte des Zusammenschlusses hat Funda nicht nur eine Menge Bücher gesammelt, sondern auch zahlreiche Mitstreiter gewonnen. Die wissenschaftliche Bibliothekarin Rosi Werner aus Berlin gehört dazu, die als Frau vom Fach auf den Wert von authentischen Quellen hinwies - für eine spätere, »hoffentlich wissenschaftliche Aufarbeitung, mit der man dem einmaligen historischen Experiment DDR auf den Grund gehen kann«. Oder Waltraud Käß, die viele Jahre im Bundesarchiv arbeitete und bei den Vereinsgründern dafür warb, die Sammlung der Zeitzeugenerinnerungen dort unterzubringen, Interessenten zugänglich zu machen und vor allem sicher der Nachwelt zu erhalten.
Funda hatte zuvor manch anderes erwogen - war zwischen Institutionen, Bibliotheken, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Peter Sodanns einzigartiger DDR-Bibliothek im sächsischen Staucha auf Tippeltappeltour unterwegs gewesen und nur selten ganz zufrieden nach Staßfurt zurückgekehrt. »Wir sind es den Autoren schuldig, einen wirklich sicheren Ort für ihre Biografien zu finden«, erklärte er gestern. Deshalb will der Verein jetzt den Kontakt zum Bundesarchiv aufnehmen, sich direkt vor Ort umschauen und mit den Archivaren sprechen. Und dann soll demnächst eine eigene Internetseite entstehen, überhaupt mehr Öffentlichkeitsarbeit stattfinden - aus der Idee Erinnerungsbibliothek jedenfalls wird Stück für Stück Wirklichkeit. Wer das hautnah miterleben oder gar mitgestalten will, kann sich bei Rolf Funda melden.
Telefon: 03925 300312
e-mail: rolf_funda@web.de
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