Weiteres Märchen für den britischen Sport
Triathlon: 250 000 Zuschauer feiern die Brüder Alistair und Jonathan Brownlee im Hyde Park
»Ein Alptraum« sei seine Sportart, sagte Jonathan Brownlee, 22, vor dem olympischen Rennen im Triathlon. Alles sei so unwägbar. Es könnten so viele unvorhergesehene Dinge passieren, es sei eben Sport. »Man kann am Morgen des Rennens aufstehen und fühlt sich schrecklich.« Oder man stürzt mit dem Rad. Aber das, was Brownlee und sein um zwei Jahre älterer Bruder Alistair gestern im Hyde Park erlebten, war kein Alptraum. Es war das Gegenteil: Ein weiteres Märchen für den britischen Sport bei diesen Olympischen Spielen.
Als Alistair Brownlee die letzten Meter der zehn Kilometer langen Strecke das Zielband riss, gehend, weil er so viel Vorsprung vor dem Spanier Javier Gomez herausgelaufen hatte, den »Union Jack« geschultert, da jubelten die rund 250 000 Fans in der grünen Lunge Londons. Und als auch noch Jonathan als Dritter einlief und ihm um den Hals fiel, da rührte dieses Brüderpaar ein ganzes Land. Es war der Tag der »Brownlees«.
Als ihnen die Medaillen um den Hals gehängt worden waren, erklang nicht nur die Nationalhymne. Sondern auch »Heroes«, der große Song von David Bowie. »Zwei britische Brüder auf dem Podium, nach mehr könnte man sich nicht sehnen«, sagte der Olympiasieger. Gleichzeitig rühmte er den Mannschaftskameraden Stuart Hayes, der sich auf der Radstrecke für die Brüder aufgerieben hatte.
Die deutschen Teilnehmer, mit großen Hoffnungen gestartet, beendeten das Rennen vor der stimmungsvollen Kulisse mit unterschiedlichen Emotionen. Steffen Justus, der beste Läufer, hatte den Anschluss schon nach den 1,3 Kilometern auf der Schwimmstrecke verloren, er stieg erst eine Minute später als die Spitzengruppe aufs Rad. Der Saarbrücker schüttelte den Kopf, als er mit 2:47 Minuten Abstand auf Rang 16 einlief. Maik Petzold (Bautzen), der sich auf der 43 Kilometer langen Radstrecke in der 22-köpfigen Führungsgruppe aufgehalten hatte, wurde 31.
Allein Jan Frodeno, der Olympiasieger von 2008, zeigte sich zufrieden mit seinem Auftritt im vierten Triathlon der olympischen Geschichte. 30-Jährige hatte nach der Radstrecke nur zwei Sekunden Rückstand auf die britischen Brüder, verlor kontinuierlich Zeit beim Laufen. Aber da er viele Verletzungen zu beklagen hatte, freute er sich sehr über den sechsten Platz (1:01 Min Rückstand). »Ich bin froh, dass ich dieses Rennen so gut durchhalten konnte«, sagte Frodeno, und er anerkannte die beiden Heroen als würdige Sieger. »Man muss auch mal sagen, dass die beiden unseren Sport in den letzten drei Jahren dominiert haben«, sagte Frodeno.
In der Tat, nie zuvor haben zwei Athleten die olympische Distanz des Triathlons mehr beherrscht als die beiden Studenten aus Leeds. Alistair, der neue Olympiasieger, hat zwölf von 15 Rennen der Weltcup-Serie gewonnen, seit er 2009 in die Elite Serie aufstiegen war. Und auch sein Bruder hatte in den letzten 13 Rennen stets auf dem Podest gestanden, war ein Musterbeispiel für Konstanz auf Weltklasseniveau.
Und dennoch, speziell die famose Performance des neuen Olympiasiegers war so nicht zu erwarten gewesen. Denn Alistair Brownlee hatte seit Januar kein Weltcuprennen mehr bestritten, weil er sich an der Achillessehne verletzt hatte. Vier Wochen hatte er sein Bein schonen müssen. Das Training hatte er unter Wasser fortgesetzt, in einem Schwimmbad, um auf die nötigen Einheiten für diese extrem anspruchsvolle Ausdauersportart zu kommen. Die Laufzeit des Champions erscheint vor diesem Hintergrund fast unglaublich, 29:07 Minuten benötigte der Wirtschaftsstudent für die zehn Kilometer. Also nur gut eine Minute weniger als Mo Farah, der Olympiasieger über 10 Kilometer auf der Bahn - wenn man die 200 Meter berücksichtigt, die Brownlee gehend zurücklegte.
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