Urteil gegen Pussy Riot erst am 17. August
(AFP/dpa/nd) - Im umstrittenen Prozess gegen die Moskauer Punkband Pussy Riot will das Gericht das Urteil erst am 17. August verkünden. Richterin Marina Syrowa gab den drei wegen Rowdytums angeklagten Musikerinnen noch einmal Gelegenheit, sich zu ihrem Protest gegen den jetzigen Kremlchef Wladimir Putin Putin in der Erlöserkathedrale am 21. Februar zu äußern.
Nach Ende der kurzen Sitzung habe Syrowa den Termin 17. August, 15.00 Uhr, angesetzt, berichteten Medien in Moskau. Die Staatsanwaltschaft hat auch wegen Verletzung religiöser Gefühle jeweils drei Jahre Haft beantragt für die Künstlerinnen. Die Verteidigung fordert Freispruch.
Die 22-jährige Nadeschda Tolokonnikowa, die 24-jährige Maria Alechina und die 29-jährige Jekaterina Samuzewitsch hatten im Februar mit einem Auftritt kurz vor der Präsidentenwahl gegen Russlands damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Staatschef Wladimir Putin protestiert. In einem sogenannten Punkgebet in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale kritisierten sie unter anderem dessen Beziehungen zur mächtigen russisch-orthodoxen Kirche.
Tolokonnikowa sagte zum Abschluss des Prozesses am Mittwoch, dieser sei "eine politische Unterdrückungsanordnung" und vergleichbar mit den berüchtigten Schnellverfahren zur Zeit des sowjetischen Diktators Josef Stalin. "Während des gesamten Verfahrens wurde uns nicht zugehört", beklagte sie aus einem Glaskasten heraus, in dem die Frauen im Gerichtssaal eingesperrt werden. Zugleich sagte Tolokonnikowa "den Kollaps dieses politischen Systems" voraus.
EU und Berlin besorgt über Prozess
Die Europäische Union und die Bundesregierung haben sich besorgt über den Prozess gegen gezeigt. Dabei gehe es um "Unregelmäßigkeiten" seit der Verhaftung der drei Frauen im März ebenso wie um die Umstände der Untersuchungshaft und das Tempo des Gerichtsverfahrens, sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Mittwoch in Brüssel. "Wir sind auch besorgt über Berichte über zunehmende Einschüchterung von Anwälten, Journalisten und möglichen Zeugen." Die EU, die das Gerichtsverfahren durch Diplomaten beobachte, fordere Russland auf, seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen und ein faires Verfahren zu garantieren. "Die EU wird diesen Fall sehr genau weiter verfolgen."
Am Dienstag bekundeten mehr als 100 Bundestagsabgeordnete ihre Sorge »über die Umstände des strafrechtlichen Verfahrens«. In einem Brief an den russischen Botschafter in Berlin, Wladimir M. Grinin, heißt es, man empfinde die mehrmonatige Untersuchungshaft und die Strafandrohung gegen die drei jungen Frauen »als drakonisch und unverhältnismäßig«.
Auch die Bundesregierung verfolgt den Prozess "mit Sorge". "Die Bundesregierung ist der Überzeugung, dass eine nachhaltige Modernisierung Russlands nur mit einer vielfältigen und offenen Zivilgesellschaft gelingen kann", sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter in Berlin.
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