Offene Fragen in Tripolis

Kommentar von Olaf Standke

  • Lesedauer: 2 Min.

Als am späten Mittwochabend die 200 Abgeordneten der Nationalversammlung in Tripolis ihren Eid abgelegt hatten, begann Libyen eine neue Etappe seines schwierigen Wegs der Demokratisierung. Gewählt von etwa 60 Prozent der Stimmberechtigten im Lande, die ihr Heil mehrheitlich nicht bei den Islamisten gesucht haben, soll das Parlament nun vor allem mit dem Aufbau eines funktionierenden Staates für innere Stabilität sorgen und eine neue Verfassung erarbeiten - und so auch das korrigieren, was Mustafa Abdel Dschalil, der Chef des Übergangsrates, die »Fehler« seit dem Sturz von Gaddafi nannte. Die vom Volk ersehnte Sicherheit nach den verheerenden Kriegswirren habe man jedenfalls nicht garantieren können. Nach bewaffneten Angriffen auf seine Einrichtungen musste jetzt selbst das Internationale Komitee vom Roten Kreuz die Arbeit in Bengasi und in Misrata aussetzen.

Ob dieses Parlament jedoch die Macht der bewaffneten Milizen und Clans im erdölreichen Wüstenstaat brechen kann, bleibt abzuwarten. Schon weil die Mehrheitsverhältnisse unklar sind. Zwar holte die moderate Allianz der Nationalen Kräfte von Ex-Regierungschef Mahmud Dschibril knapp die Hälfte der 80 Mandate, die über Parteilisten vergeben wurden. Doch selbst sie ist ein fragiler Zusammenschluss von 58 Parteien und politischen Bewegungen. Und wie sich die 120 individuell gewählten Abgeordneten orientieren werden, ist völlig offen. Eine Regierung der nationalen Einheit haben die Muslimbrüder, zweitstärkste Partei im Parlament, ohnehin schon abgelehnt.

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