Attacken gegen Ökoenergie-Umlage
Berlin (dpa) - Die Förderung erneuerbarer Energien ist eine Säule der Energiewende. Doch die milliardenschweren Zuschläge erregen zunehmend Widerstand, auch seitens der EU. Die Textilbranche will die über den Strompreis zu zahlende Ökostrom-Förderung boykottieren und per Klagen kippen.
EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) hat die Förderung erneuerbare Energien als mitverantwortlich für die hohen Strompreise in Deutschland kritisiert. In der «Bild»-Zeitung (Dienstag) sprach sich Oettinger daher für eine Deckelung der Umlage für erneuerbare Energien aus, die einen Durchschnittshaushalt pro Jahr etwa 125 Euro kostet. «Sonst laufen die Kosten für Verbraucher und Wirtschaft aus dem Ruder», betonte Oettinger. Die deutschen Textilhersteller sehen unterdessen gute Chancen, die milliardenschwere Förderung juristisch zu kippen.
Oettinger sagte, Deutschland habe vor allem wegen der hohen Steuern und der Abgabe für erneuerbare Energien die zweithöchsten Strompreise in Europa. «Das kann so nicht weitergehen, weil wir damit die Verbraucher überfordern und die Wirtschaft schädigen.»
Wenn im Herbst die neue Höhe der Umlage für die erneuerbaren Energien festgelegt werde, müsse «noch einmal über eine Deckelung» geredet werden, forderte der EU-Kommissar. Der Ausbau der Solar- und Windenergie müsse an den Ausbau von Leitungsnetzen und Speicherkraftwerken gekoppelt werden, es mache keinen Sinn unbegrenzt neue Wind- und Solarparks zu bauen, wenn die Netze hierfür fehlen.
Am Dienstagmittag wollte die Textilbranche in Berlin Details ihrer Maßnahmen vorstellen, mit denen sie sich gegen die auf den Strompreis aufgeschlagene Zahlung zur Wehr setzt. Sollten die Firmen Erfolg haben, könnte das derzeitige System zur Finanzierung des Ausbaus von Solar- und Windenergie vor dem Aus stehen.
«Die hohen Energiekosten belasten gerade kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland», betonte der Gesamtverband der Textil- und Modeindustrie. Die Branche beruft sich auf ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Gerrit Manssen, der die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgesetzte Umlage als unzulässige Subvention und damit als verfassungswidrig einstuft.
Allein 2011 flossen 16,4 Milliarden Euro an EEG-Umlage an die Betreiber von Wind- und Solarparks, Biogasanlagen und Wasserkraftwerken. Unter anderem wegen des rasanten Ausbaus der erneuerbaren Energien könnte die Umlage im kommenden Jahr deutlich von derzeit 3,5 Cent auf rund 5 Cent je Kilowattstunden steigen.
Damit dürften auch die Strompreise weiter zulegen. Die FDP dringt auf eine Neuregelung zur Förderung erneuerbarer Energien, da das jetzige System nicht mehr finanzierbar sei. Die Textilbranche beziffert ihre Belastungen durch die Ökoenergie-Umlage auf zuletzt jährlich rund 70 Millionen Euro.
In der mittelständischen Textilindustrie waren zuletzt nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums etwa 53 000 Menschen in rund 400 Betrieben tätig. Während energieintensive Unternehmen von der Ökostrom-Subventionierung weitgehend befreit sind, muss die Mehrzahl der Textilfirmen die volle Umlage zahlen.
Manssen vergleicht die Zwangsabgabe mit dem 1994 vom Karlsruher Bundesverfassungsgericht zu Fall gebrachten Kohlepfennig. Die Stromverbraucher hätten keine besondere Finanzierungsverantwortung für die Förderung der Steinkohle, hieß es damals.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Bärbel Höhn, wirft der Bundesregierung vor, die Energiekosten für Privatleute und kleine mittelständische Unternehmen ungerechtfertigt in die Höhe zu treiben. Die großen Unternehmen nähmen nur die Vorteile der Energiewende mit, sagte sie den «Ruhr Nachrichten» (Dienstag).
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