Pussy Riot ruft Revolution aus

Russische Punkband mit »Single zum Urteil« / Auch Kasparow droht eine Anklage

  • Jenny Becker
  • Lesedauer: 3 Min.
Pussy Riot meldet sich mit einem neuen Lied zurück, in dem das »Feuer der Revolution« beschworen wird. Nach der heftigen internationalen Kritik an dem Urteil über drei Aktivistinnen der Punkband sehen Beobachter die Chance auf eine Abmilderung der Strafe. Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow droht unterdessen ebenfalls eine Anklage.

Die russische Punkband Pussy Riot lässt sich auch nach dem harten Urteil gegen drei ihrer Mitglieder nicht unterkriegen. Nachdem am Freitag in Moskau eine Strafe von zwei Jahren Lagerhaft für Nadeschda Tolokonnikowa, Maria Alechina und Jekaterina Samutsewitsch festgesetzt worden war, veröffentlichten die übrigen Mitglieder »Die Single zum Urteil«, in der sie Kremlchef Wladimir Putin erneut angriffen. »Putin entzündet das Feuer der Revolution«, heißt es darin. »Das Land geht auf die Straße mit Mut, das Land sagt dem Regime Auf Wiedersehen.«

Wegen seines Protests gegen das Urteil droht nun womöglich auch dem früheren Schachweltmeister Garri Kasparow eine Anklage und bis zu fünf Jahren Haft. Nach Informationen der Agentur Interfax wirft die Staatsanwaltschaft ihm vor, bei seiner vorübergehenden Festnahme am Rande der Urteilsverkündung, einen Polizisten ins Ohr gebissen zu haben. Kasparow wie dies zurück und verkündete, er erwäge seinerseits rechtliche Schritte gegen die Polizisten. Er sei in der Untersuchungshaft geschlagen worden. Am heutigen Montag muss der ehemalige Schachweltmeister wieder zum Verhör erscheinen.

Die Empörung über das Urteil reißt nicht ab. Auf einem Konzert in Zürich solidarisierte sich am Samstag die Popmusik-Ikone Madonna mit den verurteilten Aktivistinnen und forderte deren Freilassung. Als sie die Arme ausstreckte, stand darauf in schwarzen Buchstaben geschrieben: »Free Pussy Riot«.

Die USA nannten die Strafe »unverhältnismäßig«. Kritik kam auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Europäischen Union. Laut der russischen Zeitung »Kommersant« lenkte unterdessen die orthodoxe Kirche ein und rief die Mächtigen »zu Barmherzigkeit auf«. »Ohne die Rechtmäßigkeit des Gerichtsbeschlusses infrage zu stellen, wenden wir uns an die Staatsmacht mit der Bitte, im Rahmen des Gesetzes Gnade walten zu lassen«, hieß es schon am Freitagabend auf der Internetseite des Moskauer Patriarchats.

Die Punkszene will zur Unterstützung von Pussy Riot eine Platte mit Liedern verschiedener Punkbands veröffentlichen. Die Einnahmen des Soliprojekts werden an den Pussy Riot Unterstützungsfonds gespendet, teilte das Label F.A.M.E.D. Records mit.

Nach den heftigen internationalen Protesten rechnen Beobachter mit einer Abmilderung des Urteils. Russische Medien äußerten am Samstag die Erwartung, das Strafmaß könne in einem Berufungsverfahren reduziert werden. Die Zeitung »Komsomolskaja Prawda« spekulierte am Samstag über eine Verkürzung der Lagerhaft auf ein Jahr. Laut der Nachrichtenagentur Interfax sagte Denis Dwornikow von der zivilen Kammer, die russische Behörden berät, die Verurteilten würden vermutlich schon einen Monat nach dem Verfahren in die Freiheit entlassen. Das russische Außenministerium äußerte sich nicht direkt zu dem Urteil. Jedoch veröffentlichte es eine Erklärung, in der die Strafen für »Rowdytum« an religiösen Orten aufgelistet wurden, die in westlichen Staaten gelten. In Deutschland stünden darauf bis zu drei Jahre Gefängnis, hieß es. Laut einer Telefonumfrage des Radiosenders »Moskauer Echo« zeigten sich 77 Prozent der Russen »nicht einverstanden« mit der Strafe.

Die Aktivistinnen von Pussy Riot hatten Anfang Februar in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale ein »Punkgebet« gegen Putin und die enge Verbindung von Staat und Kirche aufgeführt.

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