Preis für den »schönsten« Stich

Im norditalienischen Berra wird jedes Jahr im August das Fest der Mücke gefeiert

  • Anna Maldini
  • Lesedauer: 3 Min.
Jedes Jahr im August findet in Berra, einem Örtchen in Norditalien, ein seltsames Fest statt: Die »Festa Mondiale della Zanzara«, was nichts anderes heißt, als das »Internationale Mücken-Fest«.

Mücken – igitt! Sie sirren und stechen und können jeden noch so romantischen Sonnenuntergang zur Qual machen. Und so einem üblen Viech kann man ein Festival widmen? Man kann! Es zieht sogar in jedem Sommer Tausende Besucher in das Städtchen Berra mit seinen knapp 3000 Einwohnern. Berra ist eigentlich hübsch gelegen – direkt an Italiens größtem Fluss, dem Po, der sich über 650 km von der französischen Grenzen durch eine äußerst fruchtbare Ebene bis zur Adria zieht. Aber wie es so häufig an Flüssen ist: In Berra wimmelt es nur so von Mücken. Irgendjemand hat ausgerechnet, dass auf jeden Einwohner etwa 500 dieser lästigen Insekten kommen. Die Mücken zeichnen Berra aus. Und also – hat sich vor 10 Jahren irgendein kluger Kopf gedacht – stellen wir doch ein Festival aus die Beine, das genau dem gewidmet ist, was wir am meisten haben, unser Merkmal ist und wo uns niemand so schnell das Wasser abgraben kann. Mücken.

Ein Normalsterblicher kann sich kaum vorstellen, wie man ein mehrtägiges Programm allein mit Mücken füllen kann. Aber in Berra ist man eben findig. Natürlich gibt es eine Ausstellung rund um das Stechtier. Man kann alles Wissenswerte über Fenster-, Haar-, Gall-, Büschel-, Falten-, Dung- und Trauermücken und ihre »stechend-saugenden Mundwerkzeuge« lernen. Aber man erfährt in Berra auch, warum Mücken so wichtig für das ökologische Gleichgewicht und die allgemeine Nahrungskette sind und alles über die Tigermücke, die eher »Zebra-Mücke« heißen müsste, weil sie weiß-schwarz gestreift ist, erst Mitte der 90er Jahre von Afrika kam und in einigen Landstrichen Italiens zur regelrechten Plage geworden ist. Den Besuchern stehen Mikroskope zur Verfügung, um die Plagegeister aus der Nähe zu betrachten und sich – vielleicht – für sie zu begeistern.

Und wenn man genug Wissenschaft aufgesogen hat, kann man sich auch den schönen Seiten der Mücke widmen, zum Beispiel ihrer Rolle in der Literatur. Schauspieler lesen Sonette von Torquato Tasso, Passagen aus der Bibel, Gedichte von Gianni Rodari und Teile der Göttlichen Komödie von Dante Alighieri – alle rigoros der Mücke gewidmet. Selbst der Dalai Lama soll einmal gesagt haben: »Wenn Du meinst, dass Du zu klein bist, um etwas zu bewegen, dann versuche mal, die Nacht mit einer Mücke zu verbringen!«.

Wer jetzt müde und hungrig ist, kann sich im Mücken-Restaurant stärken, wo natürlich die Namen aller Speisen irgendwie auf das Thema des Festivals anspielen: das »Stachelfleisch« (ein lecker bestückter Spieß) ist nur ein Beispiel. Was kann man sonst noch rund um die Mücke tun? Man kann Fotos einschicken, die dann ausgestellt werden, man kann die Plagegeister malen und basteln, man kann auch an einem »Mücken-Quiz« oder an »Mücken-Spielen« teilnehmen. Und schließlich gibt es noch einen leicht sado-masochistischen Wettstreit: Wer den größten und »schönsten« Stich aufweisen kann, der bekommt einen Sonderpreis!

Nun müsste man die Mücke eigentlich nach einem solchen Fest richtig lieb gewonnen haben; wenn das doch nicht so sein sollte, kann man alles kennenlernen (vom Hausmittelchen über Chemiebomben bis zu ökologisch-verträglichen Verfahren), was einem die Insekten vom Leibe halten könnte. Und wenn alles nicht hilft, kann man geistlichen Beistand suchen: bei den richtigen Gebeten soll der Heilige Rocco (oder Rochus) nicht nur gegen die Pest helfen …

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