Empörung über Freilassung Papons

Proteste aus allen Kreisen der Bevölkerung / FKP ruft zu Demonstration auf

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Freilassung von Maurice Papon hat in der französischen Öffentlichkeit Empörung und massive Proteste ausgelöst. Der 92-jährige ehemalige Präfekt des faschistischen Vichy-Regimes, der 1998 wegen Beihilfe zur Deportation von 1500 französischen Juden nach Auschwitz zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden war, ist am Mittwoch von einem Pariser Berufungsgericht aus gesundheitlichen Gründen auf freien Fuß gesetzt worden. Vor dem Pariser Gefängnis Santé, das Papon zu Fuß verließ, um sich im Auto seines Anwalts in sein Haus bei Paris zu begeben, wurde er von Demonstranten und Sprechchören wie »Die Freilassung ist eine Schande« empfangen. Die Bewegung gegen Rassismus MRAP sprach von einer »Beleidigung des Andenkens zahlreicher Opfer der Deportation«. Einer der Kronzeugen im Prozess von Bordeaux, Michel Slitinsky, sagte, Papon habe gegenüber seinen Opfern längst nicht die gleiche Milde walten lassen. Grünen-Abgeordneter Noel Mamère bezeichnete die Gerichtsentscheidung als »Provokation gegenüber der Erinnerung an die Opfer der Shoa«. Die FKP hat zu einer Protestdemonstration aufgerufen. Eine weitere Demonstation wollen die Familien von Papons Opfern in Bordeaux organisieren, wo der Nazi-Präfekt 1943/44 »wirkte« und und wo 1997/98 sein Prozess stattfand. Justizminister Dominique Perben erklärte, er habe sich wegen der besonderen Schwere der Schuld für einen Verbleib von Papon in Haft ausgesprochen und er werde »alle Möglichkeiten prüfen, um die Entscheidung durch ein übergeordnetes Gericht wieder aufheben zu lassen«. Präsident Jacques Chirac, der schon drei Gnadengesuche von Papon zurückgewiesen hat, »fühlt mit den Angehörigen der Opfer und allen anderen Franzosen, die über diese Entscheidung bestürzt sind«, so Perben. Papon kam in den Genuss des erst dieses Frühjahr durch Gesundheitsminister Bernard Kouchner vorgeschlagenen und von der linken Parlamentsmehrheit verabschiedeten »Gesetzes über die Rechte der Kranken«, demzufolge Häftlinge, die so krank sind, dass ihr baldiger Tod zu erwarten ist, als nicht mehr haftfähig zu gelten haben. Das haben dem Herzkranken zwei Mediziner bescheinigt. Allerdings gibt es in der Öffentlichkeit starke Zweifel, ob nicht die Schwere seiner Krankheit ähnlich wie bei Pinochet nur simuliert ist. Das von Papons Anwälten angerufene Gericht hat sich an die Buchstaben des Gesetzes gehalten, obwohl die Staatsanwaltschaft entgegenhielt, dass die Freilassung »ein öffentliches Sicherheitsrisiko darstellt« und dass der Verurteilte niemals auch nur die geringste Reue gezeigt hat und somit keine Gewähr für eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft gegeben sei. Die Anwälte Papons bezeichneten die Entscheidung des Gerichts als »großen Sieg« und sie kündigten an, dass sie mit allen juristischen Mitteln für eine Wiederaufnahme des Prozesses, für eine Revision des Urteils und die Rehabilitierung von Papon kämpfen wollen. Die ehemalige sozialistische Justizministerin Elisabeth Guigou sagte: »Papon und seine Anwälte sollten wenigstens ein Minimum an Anstand beweisen und endlich schweigen, um sich in Vergessenheit zu bringen.«
Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.