LINKE sucht Wege aus der Botschaftskrise

Abgeordnete Dagdelen bei Wikileaks-Gründer Assange in der Botschaft Ecuadors in London

  • Harald Neuber
  • Lesedauer: 3 Min.
Erstmals hat Wikileaks-Gründer Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London Besuch von einem deutschen Parlamentsmitglied erhalten. Es war die LINKE-Bundestagsabgeordnete Dagdelen.

Es hatte Premierencharakter. Die Bundestagsabgeordnete der LINKEN Sevim Dagdelen ist am Sonntag in der Botschaft der Republik Ecuador in London mit dem Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange, zusammengekommen. Der erste Besuch eines Parlamentsmitglieds aus Deutschland bei Assange habe zum Ziel gehabt, »Wege aus der diplomatischen Krise« zu suchen, in der sich Ecuador und Großbritannien befinden, sagte Dagdelen vorab. Zugleich erinnerte die Parlamentarierin an das Schicksal des US-Soldaten Bradley Manning. Der im Mai 2010 verhaftete Wikileaks-Informant soll nach seiner Festnahme mehrfach gefoltert worden sein. Erst in der vergangenen Woche hatten seine Anwälte beklagt, dass ihnen Einsicht in rund 1300 E-Mails verweigert wird. So sei keine faire Verteidigung möglich. »Die Besorgnis erregende Lage Mannings war heute auch eines der Themen in unserem Gespräch«, sagte Dagdelen nach dem Treffen gegenüber »nd«.

Über den Besuch aus Deutschland habe sich Assange gefreut, sagte Dagdelen. Zugleich erhoffe er sich anhand seines Falls eine stärkere Debatte über das Recht auf Asyl - auch in Deutschland. »Assange wies immer wieder auf die zunehmend aggressiven Kampagnen gegen das Wikileaks-Projekt hin«, sagte Dagdelen. Was seine persönliche Situation angeht, sehe er den Schlüssel für die Lösung des diplomatischen Streits bei Großbritannien und Schweden.

Assange vermute, dass vor allem die schwedischen Behörden ihre Interessen nicht offenlegen. »Anders ist nicht zu erklären, dass die Ermittlungsbehörden dieses Landes ein Verhör Assanges in der ecuadorianischen Botschaft in London abgelehnt haben und zudem keine Garantien für eine Nichtauslieferung in einen Drittstaat geben wollen«, so Dagdelen. Assange hat am 19. Juni in der Botschaft Ecuadors in London Zuflucht gefunden. Der Fall eskalierte, als die britischen Behörden dem Aktivisten eine freie Ausreise verweigerten. Selbst eine Erstürmung der Botschaft ist denkbar.

Dagdelen hob nach dem Treffen mit Assange besonders die Bedeutung von Wikileaks hervor. Die Plattform habe dazu beigetragen »die Kriegspolitik der NATO-Staaten zu delegitimieren«. Wikileaks habe in den vergangenen Jahren mit Erfolg eine demokratische Gegenöffentlichkeit zu geheimer Kriegsführung geschaffen. Dagdelen, die dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestages angehört, sieht den Grund für das juristische Tauziehen um Assange »in der Veröffentlichung unangenehmer Informationen über die US-Kriegsführung«.

Nach den Vorwürfen der schwedischen Staatsanwaltschaft wegen Sexualdelikten habe der gebürtige Australier Assange wiederholt erklärt, sich den Anschuldigungen zu stellen. Dagdelen kritisierte vor diesem Hintergrund die Weigerung Großbritanniens und Schwedens, Assange eine Garantie dafür zu geben, nicht an die USA ausgeliefert zu werden, wo Leib und Leben des Aktivisten bedroht seien. »Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang die Rolle der britischen Regierung, die noch 1998, vorgeblich aus humanitären Gründen, die Auslieferung des Massenmörders und chilenischen Ex-Diktators Augusto Pinochet an Spanien verweigerte«, sagte Dagdelen gegenüber »nd«.

Indes konterte die US-Regierung den positiven Asylbescheid Ecuadors für Assange mit der Bekanntgabe, dem regierungskritischen ecuadorianischen Journalisten Emilio Palacio Zuflucht zu gewähren. Palacio hatte sich im vergangenen Jahr vor einem Strafverfahren in Ecuador in die USA geflüchtet. Die US-Regierung erkannte ihn nun als politischen Flüchtling an.

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