Geldwäsche mit bestechendem System
Korruptionsskandal bringt Regierungspartei Brasiliens in Bedrängnis
Die Einschläge kommen näher: Mit João Paulo Cunha, Bundesabgeordneter und ehemaliger Parlamentspräsident, wurde ein hochrangiger Parteifunktionär der Arbeiterpartei PT der Veruntreuung öffentlicher Gelder, passiver Bestechung und Geldwäsche überführt. Cunha kündigte daraufhin an, seine Kandidatur als Bürgermeister der Stadt Osasco bei den Lokalwahlen im Oktober zurückzuziehen.
38 ehemals hochrangigen Politikern, Bankiers und Unternehmern wird seit Anfang August der Prozess gemacht. Unter ihnen José Dirceu, Kabinettschef und Vertrauter von Luis Inacio »Lula« da Silva in dessen Zeit als Präsident (2002-2010). Die Bundesstaatsanwaltschaft wirft ihm vor, der Drahtzieher eines ausgeklügelten Korruptionssystems gewesen sein. Von 2003 bis zur Aufdeckung des Skandals im Jahr 2005 soll die Regierungspartei illegal Gelder beschafft haben, um bei der Abstimmung von wichtigen Regierungsvorhaben die Stimmen von Abgeordneten zu kaufen. Diese Monatszahlungen haben dem Skandal seinen Namen gegeben - Mensalão.
Neben Cunha wurden bislang mehrere hohe Bankangestellte und Unternehmer verurteilt, unter ihnen der Werbeunternehmer Marcos Valério. Er gilt als Chef-Organisator der illegalen Geldbeschaffung und ist schon früher korrupter Machenschaften beschuldigt worden. Das Strafmaß wird erst am Ende des gesamten Prozesses verkündet.
Die komplizierte Strafprozessordnung sieht vor, dass jeder der acht Anklagepunkte von allen Richtern nacheinander begutachtet wird. So kann sich das Verfahren noch viele Wochen hinziehen. Erst am Ende steht der gewichtigste Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung auf der Tagesordnung, der neben Dirceu weitere Führungspersonen der Lula-Regierung betrifft.
Die Verteidigung von Dirceu kündigte am vergangenen Wochenende an, beim Obersten Gericht Beschwerde gegen die Beweisführung von Bundesstaatsanwalt Roberto Gurgel einzulegen. Dieser berief sich mehrfach mangels anderer Beweise auf Zeugenaussagen. Für Verteidiger Oliveira Lima ist ein solches Vorgehen rechtlich nicht haltbar. »Eine Verurteilung ohne stichhaltige Beweise zu fordern, ist ein Verstoß gegen die Verfassung«, so der Anwalt des einstigen Präsidialministers.
Die PT, die mit Präsidentin Dilma Rousseff weiterhin das größte Land Lateinamerikas regiert, befürchtet aufgrund der Aufarbeitung des Skandals Stimmeneinbußen bei den kommenden Wahlen. Aus ihren Reihen wird der Prozess als politisch motiviert kritisiert. Zudem werde mit zweierlei Maß gemessen, da viele Korruptionsfälle anderer Parteien bis heute nicht vor Gericht verhandelt werden. Dieser Vorwurf betrifft vor allem die Partei der Brasilianischen Sozialdemokratie, die größte Oppositionspartei, die im Jahr 1998 ein ähnliches Korruptionssystem mit Schwarzen Kassen unterhielt. Wichtigster Akteur war auch damals der Unternehmer Valério. Erst Jahre später bot er seine Dienste auch der PT an, wofür er auf der Anklagebank sitzt.
Auch Generalstaatsanwalt Gurgel erwähnte in seinem Plädoyer, dass sein Angeklagter Valério sich bereits früher der Korruption schuldig gemacht habe. Laut der Zeitschrift »Carta Capital« ist das anhaltende Desinteresse der Justiz an einer Aufarbeitung der damaligen Affäre politisch motiviert. Sie präsentierte ein Dokument aus dem Jahr 1998, in dem die Empfänger von Bestechungsgeldern aufgelistet werden. Unter ihnen Gilmar Mendes, einer der Obersten Richter, die jetzt über den Mensalão urteilen.
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