Für viele Normalverdiener der Hammer
Gabriels »Solidarrente« findet in der CDU Beifall und stößt bei der SPD-Linken auf Kritik
So hat sich das Sigmar Gabriel wohl nicht vorgestellt: Kaum waren die Pläne des SPD-Vorsitzenden für eine »Solidarrente« durchgesickert, lobte ihn dafür ausgerechnet die Bundesarbeitsministerin, deren »Zuschussrente« die Sozialdemokraten so kritisieren: »Es ist gut«, sagte Ursula von der Leyen, »dass die SPD die Gerechtigkeitslücke mit ähnlichen Mitteln angehen will.«
Von der Leyen hat in den eigenen Reihen kaum Unterstützung; nach heftiger Kritik aus FDP und Union präsentierte nun auch noch die CSU ein Gegenmodell. Inzwischen ist bekannt, dass der Vorstoß der Ministerin mit Angela Merkel eng abgestimmt war - umso dröhnender musste das Schweigen der Kanzlerin erscheinen.
Doch es gibt einen Grund dafür: Die CDU-Vorsitzende hält sich mit Blick auf die politische Konkurrenz und angesichts der immer neuen und Besorgnis erregenden Zahlen zur Altersarmut bedeckt. Zumal ein beträchtlicher Teil der Wähler entweder im Rentenalter ist, oder, noch arbeitend, einer aktuellen Umfrage zufolge Sorgen vor Altersarmut hat. Die große Mehrheit der für den aktuellen Deutschlandtrend Befragten hat gesetzliche Veränderungen befürwortet. Von der Leyen hat nicht ohne Grund erklärt, eine Weichenstellung solle lieber jetzt erfolgen - damit die Rente »nicht zum Wahlkampfthema« wird. Das Thema »soziale Sicherung im Alter« verursacht seit den rot-grünen Reformen einen Dauerschmerz in der sozialdemokratischen Herzgegend. Seit Monaten arbeitet eine informelle Arbeitsgruppe beim Parteivorstand an dem Rentenkonzept, das Sigmar Gabriel am Montag den SPD-Spitzen präsentieren will.
Ursprünglich sollte dies viel früher passieren, doch nun ist von der Leyen der SPD zuvorgekommen. Ein Grund dafür: die Sozialdemokraten sind uneins. Juso-Chef Sascha Vogt sagte am Wochenende, es würde ihm »zu denken geben«, wenn nun »ziemlich viel Lob aus der Union« für das Rentenpapier komme. Das Konzept enthalte einen »fundamentalen Fehler«: die geplante Absenkung des Rentenniveaus von 51 auf 43 Prozent werde nicht korrigiert.
Gabriels Papier hält am rentenpolitischen Kurs der SPD fest. Die hatte seinerzeit die Rente mit 67 und die Niveausenkung gegen große Vorbehalte durchgesetzt. Nach einem Absturz in der Wählergunst gab es zwar Ansätze zu Korrekturen - unter anderem beschloss ein Parteitag, die Heraufsetzung des Einstiegsalters so lange auszusetzen, bis genug Ältere einen sozialversicherungspflichtigen Job haben. Zu einer grundlegenden Kehrtwende konnte sich die Partei aber nicht durchringen.
Zu stark sind die Truppen, die etwa von Frank-Walter Steinmeier repräsentiert werden und die »Kurs halten« wollen. Die von der rot-grünen Bundesregierung seinerzeit beschlossene Rentenreform sei zwar hart, ließ der SPD-Fraktionschef verlauten, aber wegen der demografischen Entwicklung unvermeidlich. Bereits im Dezember 2011 hatte die SPD-Spitze einen Vorstoß von Parteilinken und des Arbeitnehmerflügels gekontert, die per Parteitagsbeschluss die Senkung des Rentenniveaus kassieren wollten.
Sigmar Gabriel weiß um seine Lage: Rentenpolitisch wird die SPD mit dem »Solidarmodell« kaum punkten können, dazu ist der Vorschlag einerseits zu kompliziert und andererseits zu nahe an den Plänen von Ursula von der Leyen. Der SPD-Chef versucht deshalb, auf ein anderes Feld auszuweichen: »Das Wichtigste im Kampf gegen Altersarmut ist es, die Erwerbsarmut zu bekämpfen.« Hier - also bei den Themen Mindestlohn und gleiche Bezahlung von Männern und Frauen - glauben die Sozialdemokraten, sich von Schwarz-Gelb absetzen zu können.
Die innerparteiliche Debatte um die Rentenpolitik wird Gabriel jedoch nicht bremsen können. Die Sprecherin des linken Flügels, Hilde Mattheis, hat die Pläne des SPD-Vorsitzenden zwar nicht völlig zurückgewiesen, sieht aber Korrekturbedarf. »Wir brauchen keinen Rentenbeschluss, der den zukünftigen Kanzlerkandidaten zufrieden stellt«, heißt es in einem Papier der SPD-Linken - eine kaum verhohlene Anspielung auf Steinmeier.
Die Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe vom linken Flügel sagt zu Gabriels Plänen, »darüber müssen wir nochmal diskutieren«. Zwar seien eine Mindestrente für Langeinzahler und Verbesserungen bei den Leistungen im Falle von Erwerbsminderung »superwichtig«. Das entscheidende Problem sei aber die Absenkung des Rentenniveaus - und dabei zu bleiben, das, so Kolbe, »ist für viele Normalverdiener der Hammer«.
Gabriels Plan
Solidarrente: Die SPD strebt eine Mindestrente von 850 Euro für alle an, die 40 Jahre Vollzeit gearbeitet und 30 Jahre Beiträge gezahlt haben. Die Grundsicherung im Alter kann aus Steuermitteln aufgestockt werden. Bei der »Zuschussrente« von Ursula von der Leyen müssen 45 Versicherungsjahre und zusätzliche private Altersvorsorge nachgewiesen werden, dies wäre beim SPD-Modell nicht der Fall. Hier allerdings soll die Riester-Rente von der Solidarrente abgezogen werden, dies ist im Modell von der Leyens nicht vorgesehen.
Betriebsrente: Hiermit soll die »Sicherungslücke« geschlossen werden, die wegen der Absenkung des Rentenniveaus aufreißt. Nach den Vorstellungen der SPD soll jeder Arbeitnehmer automatisch zwei Prozent des Bruttolohns zur Betriebsrente einzahlen, Widerspruch ist jedoch möglich. Der Staat soll die Sparleistung, die bis zu sechs Prozent des Bruttolohns erweitert werden kann, pauschal mit 400 Euro im Jahr fördern. Auf die Betriebsrenten soll künftig auch nur noch der halbe Beitragssatz zur Kranken- und Pflegeversicherung fällig werden.
Erwerbsminderung: Wer aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden muss, soll bessergestellt werden: durch Anhebung der so genannten Zurechnungszeiten vom 60. auf das 62. Lebensjahr, eine Abschaffung der möglichen Abschläge auf die Rente und eine Höherbewertung der letzten fünf Jahre vor Erwerbsminderung bei der Rentenberechnung. (nd)
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