Auf der Suche nach dem Azubi

In Bayern sind Tausende Lehrstellen unbesetzt

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 4 Min.
Jahrzehntelang fehlten in vielen Regionen Deutschlands Lehrstellen, jetzt gibt es zunehmend ein Azubi-Defizit. In Bayern hat der Mangel an Bewerbern hat eine neue Größenordnung erreicht und zieht sich durch alle Branchen.

Josef Steinbauer aus Drachselsried im Bayerischen Wald weiß sich nicht mehr zu helfen. »Mit den Lehrlingen ist es heuer ganz schlecht«, sagt der 33-jährige Bäckermeister. »Wir kriegen keine mehr.« Anzeigen in der Lokalpresse hat er aufgegeben, zu den Schulen ist er hingegangen. Hat alles nichts genützt, kein Auszubildender will bei ihm das Bäckerhandwerk lernen. Auch die Agentur für Arbeit in Deggendorf hat ihm niemanden geschickt. Dort kommen auf einen noch nicht vermittelten Bewerber für einen Ausbildungsplatz vier offene Lehrstellen. Ein bayernweiter Trend. »Seit etwa 2010 gibt es jährlich mehr Lehrstellen als Auszubildende«, sagt Sindy Heyn von der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Bayern.

Keine Bäcker, keine Maurer

Vor wenigen Tagen hat das neue Ausbildungsjahr begonnen, in Bayern suchen noch rund 9000 Jugendliche eine Lehrstelle. Ihnen stehen 20 800 unbesetzte Ausbildungsplätze gegenüber. Insgesamt hatten sich bei den Arbeitsämtern rund 80 000 Bewerber gemeldet, damit nahm erneut ihre Zahl gegenüber dem Vorjahr ab - um 1,7 Prozent. Zugenommen hat hingegen die Zahl der gemeldeten Berufsausbildungsstellen, sie stieg um 6,3 Prozent auf 92 500. Der jahrzehntelang beklagte Lehrstellenmangel scheint sich also derzeit in ein Azubi-Defizit zu wandeln.

»Der Mangel an Bewerbern hat eine neue Größenordnung erreicht und zieht sich durch alle Branchen«, sagt Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern. Auch in oberbayerischen Unternehmen in Industrie, Handel und Dienstleistungen waren Ende Juli noch mehr als 9000 Lehrstellen unbesetzt, denen knapp 5000 unversorgte Bewerber gegenüberstanden.

Ein Problem, das vor allem kleine Betriebe und das Handwerk betrifft. »Die Großunternehmen werden eher von den Bewerbern wahrgenommen, ihre Produkte sind bekannt«, sagt Josef Amann, Leiter Berufsbildung bei der IHK. Und auch ihre betrieblichen Leistungen machten sie für Lehrstellensucher attraktiv. »Aber«, so Amann, »auch hier ist der Bewerberpool kleiner geworden.«

Ziemlich weit unten auf der Attraktivitätsliste künftiger Azubis stehen jedenfalls Berufe, die mit körperlicher Arbeit und Belastungen am Arbeitsplatz verbunden sind. Bäcker Steinbauer zum Beispiel beginnt nachts um halb eins mit dem Backen. Und auch im Beruf des Maurers, der Regen und Kälte ausgesetzt ist, sehen immer weniger einen goldenen Boden. »Keiner hat mehr Lust, am Bau zu lernen«, sagt Markus Eder, Geschäftsführer der Firma Eder Bau in Schöllnach. Das Unternehmen mit seinen 120 Mitarbeitern sucht jedes Jahr fünf Lehrlinge. In diesem Jahr konnte Eder aber nur zwei Maurerlehrlinge einstellen. Ähnlich sieht es etwa bei Metzgern oder im Hotel- und Gaststättengewerbe aus.

Aber ist es nicht vernünftig, einem Beruf fernzubleiben, in dem die Billigkonkurrenz aus dem Ausland droht? Nein, meint Berufsbildungsleiter Amann, vielmehr seien hier die Aufstiegsmöglichkeiten sehr gut. Denn die Firmen würden auf der mittleren Führungsebene heimisches Personal benötigen, das nicht so einfach durch ausländisches Personal ersetzt werden könne. Der Weg vom Maurer zum Polier zum Beispiel sei so nicht weit.

Die absolut gestiegene Zahl an Lehrstellen zeigt jedenfalls: Die bayerischen Betriebe haben erkannt, dass sie auf den von ihnen beklagten Fachkräftemangel mit mehr Ausbildung reagieren müssen. Für IHK-Experte Amann haben dabei auch die kleineren Betriebe Möglichkeiten, sich als attraktive Arbeitgeber zur präsentieren. Etwa mit dem Angebot einer Teilzeitausbildung, die in 25 statt 40 Wochenstunden stattfindet. Attraktiv sei dies etwa für junge Frauen, die sich wegen Kindererziehung in der Grundsicherung für Erwerbsfähige befinden. In München sei dies immerhin eine Gruppe von 2500 Personen.

Lehrlinge aus Bulgarien

Die Agentur für Arbeit rät Betrieben zudem, »auch schwächeren Bewerben eine Chance zu geben«. Dafür gebe es in Zusammenarbeit von Agentur, Berufsschule und Ausbildungsbetrieb das Angebot begleitender Ausbildungshilfen, etwa in Form sozialpsychologischer Betreuung. Und »über Schulpatenschaften können Betriebe den Schülern bei der Berufsorientierung helfen und die guten Karriereaussichten nach einer Ausbildung aufzeigen«, so IHK-Chef Driessen.

Der Mangel an Auszubildenden in manchen Branchen und Regionen führt zu ungewöhnlichen Aktionen. So pflegt seit einem Jahr der niederbayerische Landkreis Deggendorf eine spezielle Freundschaft zu Bulgarien. Weil sich auch schon im vergangenen Jahr die heimischen Auszubildenden wenig für Lehrstellen als Maurer und in der Gastronomie begeisterten, kam der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter auf die Idee, bulgarische Abiturienten anzuwerben. So trafen Ende Juli 2011 aus der Stadt Burgas am Schwarzen Meer 18 Azubis mit Ausbildungsverträgen in der Tasche in Deggendorf ein und nahmen ihre dreijährige Ausbildung in Niederbayern auf.

Nicht alle blieben, aber auch in diesem Jahr kommen wieder Lehrlinge aus Bulgarien, um in der Region Deggendorf eine Ausbildung zu machen. Diesmal sind es 21 junge Leute, die jene Lehrstellen besetzen, für die Firmen kaum noch geeignete Bewerber finden.

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