Alle sehen sich als Sieger

In der Bundestags-Generaldebatte wertet jeder die Karlsruher Entscheidung zu ESM und Fiskalpakt als eigenen Erfolg

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
In der Regel nutzt die Opposition die Generaldebatte über den Haushalt, um mit der Bundesregierung abzurechnen. Einig sind sich allerdings dieses Mal die Spitzen von Union, FDP, SPD und Grünen bei ihrer Freude über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Europapolitik.

Angela Merkel ist die Erleichterung über das Karlsruher Urteil, das unter Vorbehalt den Weg für den Euro-Rettungsfonds ESM und den Fiskalpakt freimacht, sichtlich anzumerken. »Deutschland sendet ein starkes Signal nach Europa«, verkündet die Bundeskanzlerin vor dem Parlament. Die Regierungspolitik basiere auf einem Dreiklang von »solider Finanzpolitik, mehr Wettbewerbsfähigkeit und Solidarität mit den Schwachen«. Dass dies bei den links sitzenden Parlamentariern für Gelächter sorgt, beirrt die Kanzlerin nicht. Sie will mit dem Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin die Wirtschafts- und Währungsunion weiterentwickeln. Wenn der Fiskalpakt in Kraft tritt, kann die EU-Kommission, deren Mitglieder von den Regierungen der Mitgliedstaaten nominiert und vom Europaparlament bestätigt werden, von den EU-Staaten einfordern, dass die Verpflichtungen eingehalten werden. Merkel regt an, in den kommenden Monaten auch über die Rolle zu sprechen, die das EU-Parlament und die nationalen Regierungen spielen sollen.

Viel Zeit lassen will sich die CDU-Politikerin hingegen bei der Einführung einer von der Opposition geforderten Finanzmarktsteuer. »Deutschland ist der Treiber, aber man muss zur Kenntnis nehmen, dass andere Länder andere Positionen haben«, sagt Merkel. Auch eine zentrale europäische Bankenaufsicht solle nicht übereilt umgesetzt werden. Die Kanzlerin macht hierbei Vorbehalte deutlich: »Es kann nicht darum gehen, dass möglichst jeder überwacht wird, und am Ende kann die Europäischen Zentralbank das gar nicht leisten.«

In der Krisenpolitik hat die Regierung eng mit Grünen und SPD kooperiert. In der Rentenpolitik scheint dies nicht möglich zu sein. Merkel lehnt die Forderung der SPD nach einem Mindestlohn gegen Altersarmut mit heftigen Worten ab.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier gibt sich staatsmännisch, als er an das Rednerpult tritt. »Wir müssen auf verfassungsrechtlich gesichertem Grund über den richtigen Weg aus der Krise streiten. Diese Klarheit haben wir seit heute wieder«, so der Sozialdemokrat über das Urteil der Verfassungsrichter. Er gilt als Favorit auf die Kanzlerkandidatur und scheint sich nach seiner Schlappe im Jahr 2009 auf ein zweites Duell mit Merkel vorzubereiten. Dabei wirkt Steinmeier oft wie eine Kopie von Gerhard Schröder. »Sie ernten auf den Feldern, die sie nie gepflanzt haben. SPD und Grüne haben das Fundament für den heutigen Erfolg gelegt«, lobt Steinmeier die neoliberale Agenda-Politik. Wie einst Schröder versucht der Fraktionsvorsitzende Lässigkeit zu demonstrieren, indem er während seiner Rede zuweilen eine Hand in der Hosentasche behält.

Auch einige Spitzenpolitiker der Grünen pflegen inzwischen einen bizarren Altkanzler-Kult. »Neben Willy Brandt hat auch Helmut Kohl in der Europapolitik so manchen mutigen Schritt getan und weitsichtige Entscheidungen getroffen«, meint Fraktionschefin Renate Künast. Merkel werde dagegen nicht in die Geschichte eingehen. »Wenn die Kanzlerin einen kleinen Schritt vorgeht, kommen die Kleingeister in der Koalition, von denen einige den sofortigen Austritt Griechenlands aus dem Euro fordern«, moniert die Grünen-Politikerin. Mit Blick auf das Karlsruher Urteil kann sie sich einen Seitenhieb gegen die LINKE nicht verkneifen. Die Partei hatte zu den Klägern gehört. »Du hast heute zusammen mit Peter Gauweiler verloren«, ruft Künast in Richtung von Gregor Gysi.

Der Fraktionsvorsitzende der LINKEN sieht das anders. Er freue sich, weil das Bundesverfassungsgericht völkerrechtlich verbindliche Vorbehalte fordere, bevor die Verträge unterzeichnet werden. »Wir haben eine Haftungsbegrenzung für Deutschland sowie mehr Rechte für den Bundestag und den Bundesrat erreicht«, erklärt Gysi.

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