Sturm der Entrüstung in Bengasi
US-Vertretungen in Libyen und Ägypten von wütenden Muslimen attackiert
Die Proteste, die am Montag und Dienstag über die USA-Vertretungen in Libyen und Ägypten hereinbrachen, kamen für die Betroffenen offenbar sowohl in ihrem Tempo als auch ihrer Heftigkeit völlig unerwartet - mit den dramatischeren Folgen in Bengasi. In der zweitgrößten Stadt Libyens wurde das US-Konsulat mit Schusswaffen, Granaten und selbstgebastelten Sprengkörpern attackiert, sodass sich das diplomatische Personal nicht mehr in Sicherheit bringen konnte. Laut AFP starben der US-Botschafter und drei seiner Mitarbeiter bei den Angriffen.
Dabei hätte man gewarnt sein können. Nur Stunden zuvor hatte bereits in Kairo ein aufgeheizter Mob die dortige USA-Botschaft attackiert und die Mauer um das Gebäude überklettert. Die Staatsflagge der USA ging in Flammen auf. Die Botschaftswächter ließen den Mob gewähren, gegen die Tausenden wütenden Kairoer hätten sie ohnehin keine Chancen gehabt. In Bengasi waren die zum Schutz des US-Gebäudes abgeordneten Wachen sofort geflohen.
Für die USA ist dies eine durchaus heikle Situation. Für einen Regime-Wechsel in Syrien steht man einerseits an der Seite der sich am rigidesten muslimisch gebenden arabischen Kräfte. Andererseits gibt man sich hilflos gegenüber den ausgesprochen hirnlosen Attacken evangelikaler Eiferer im eigenen Land. Der Film des aus Israel in die USA eingewanderten Islam-Hassers Sam Bacile, von Haus aus Immobilienspekulant, ist eigentlich an Primitivität kaum zu übertreffen - aber hat wahrscheinlich gerade deswegen das Zeug dazu, Heerscharen streng religiöser Muslime auf die Straße zu bringen. Nach den leichtfertig ausgelösten Massenprotesten infolge von Mohammed-Karikaturen und Koran-Verbrennungen hätte man das wissen können.
Dennoch vermied US-Präsident Barack Obama es gestern, seine Reaktion darauf mit einer Bitte um Entschuldigung einzuleiten. Beim Abwägen zwischen dem Bemühen, die Verbündeten im arabischen Raum zu beschwichtigen, und einer der Weltmacht Nr. 1 angemessenen Reaktion angesichts der öffentlichen Schmähung ihrer Statussymbole siegte am Ende wohl der Wahlkämpfer Obama.
Also sagte der Präsident: »Ich verurteilte schärfstens diesen empörenden Angriff auf unsere diplomatische Einrichtung in Bengasi, der das Leben von vier Amerikanern, darunter Botschafter Chris Stevens, gekostet hat.« Er habe seine Regierung angewiesen, alles Notwendige zu veranlassen, um die Sicherheitsvorkehrungen vor US-Einrichtungen zu verschärfen. Zwar lehnten die USA alle »Versuche zur Verunglimpfung religiöser Glaubensvorstellungen ab«, hieß es nebulös bei Obama, doch »müssen wir uns alle eindeutig gegen die Art sinnloser Gewalt wenden, die das Leben dieser Staatsdiener genommen hat«.
Die anfangs kursierende Version, die US-Bürger seien gezielt getötet worden, wurde am gestrigen Abend praktisch zurückgenommen. Aus westlichen Sicherheitskreisen hieß es, zumindest der Botschafter sei nicht erschossen worden, sondern infolge des Brands an Kohlenmonoxid erstickt. Auch der im Raum stehende Vorwurf, ägyptische Kopten, also Christen, seien für den idiotischen Amateurfilm »Innocence of Muslims« (»Unschuld der Muslime«) verantwortlich, wird zumindest in Ägypten von den dortigen Medien nicht mehr wiederholt. Im anderen Falle hätten wohl Massaker an der koptischen Minderheit des Landes gedroht.
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