Mit dem Floß entlang der »Zuckerhut-Berge« von Guilin

Unterwegs in Südchina: Spektakuläre Naturerlebnisse am Yulong-Fluss und Bergwandern zu Reisterrassen von Longsheng

  • Gabriela Greess
  • Lesedauer: 5 Min.

Bei der Fahrt über den sanft strömenden Yulong singt der Steuermann unseres Floßes alte südchinesische Lieder und bietet hausgemachte Lollipops aus Räucher-Tofu an. Auf Zhang Jings originellen Gefährt aus Bambusrohr ruht man zudem relaxt auf rustikal geschmiedeten Liegestühlen. Hier in der autonomen ländlichen Provinz Guangxi, dem tropisch heißen Südwesten China, sind sie noch von Hand gefertigt und garantiert frei von Plastik.

Plötzlich verstummt unser Floßführer. Wie bei seinen Qigong-Übungen frühmorgens am nahen Li-Fluss konzentriert sich Zhang Jing jetzt auf die magischen Berge, die vor uns auftauchen. »Für ihn ist das eine spirituelle Energiequelle«, erklärt unser Übersetzer und preist mit lebhaften Gesten das bizarr geformte Gebirge von Guilin, das in China seit der Song-Dynastie (960-1279) als »schönste Landschaft unter dem Himmel« gilt. Auch uns kommen die von sattgrünen Wäldern überzogenen »Zuckerhut-Berge« vertraut vor. Kein Wunder. Chinas Bilderbuch-Landschaft fehlt auf kaum einer der detailreich kolorierten Tuschzeichnungen, die in asiatischen Restaurants rund um die Welt zur Standard-Dekoration gehören.

»Das unsterbliche Leben ist für uns hier in den Bergen Südchinas zu Hause,« erklärt unser Reiseführer. In perfektem Deutsch zitiert er dann erstaunlicherweise eine Strophe aus Heinrich Heines Loreley, um eine Parallele zwischen dem Rhein und dem Fluss Yulong aufzuzeigen. Wir verstehen. Unser Begleiter will vermitteln, wie sich heute Romantik im hypermodernen China anfühlt. Dessen superbeschleunigte Seite erlebten wir später im pulsierenden Guilin, das als »Stadt der Zimtblütenbäume« bekannt ist. Viele der dort lebenden 600 000 Südchinesen bewegen sich im öffentlichen Verkehr am liebsten auf schnellen Elektrorädern oder Motorroller. Abends flaniert man hier dann auf Promenaden entlang eines künstlich angelegten See und erfreut sich an illuminierten Pagoden, die der Sonne und dem Mond mit kunstvollen architektonischen Details huldigen.

Alte Reisbäuerin zeigt Mao-Schrein

Bei unserer beschaulichen Fahrt über den »Drachen-Fluss«, wie der Yulong im Volksmund heisst, hört man kein Motorengeräusch. Es ist so heiß, dass wir den leichten Fahrtwind des Bambusfloßes wie den erfrischenden Luftzug eines Riesenfächers auf unserer Haut spüren. Die landschaftlichen Highlights zwischen der kleinen Touristenstadt Yangshuo und Guilin-Stadt kann man auch auf dem Fahrrad entlang dem breiten Strom des Li-River genießen oder am abwechslungsreichen Ufer des Yulong, seinem kleinen Nebenfluss. Zudem bietet es sich an, den geliehen Drahtessel dort einfach bei einer Floss-Tour mit auf das genug Platz bietende schwimmende Vehikel zu packen. So kann man später ganz leicht die Umgebung erkunden.

Wer ein motorisiertes Schiff bevorzugt, den erwarten zudem bei der dreistündigen Ausfahrt regionaltypische kulinarische Genüsse wie Flusskrabben mit Ananas. Angestossen wird mit Schlangenschnaps, der erstaunlich süß schmeckt. Für die sportliche Fortbewegungsvariante per Kajak sollte man sich entscheiden, wenn man auf Abenteuer eingestellt ist und bereit ist für relativ nahe Begegnungen mit mächtigen Wasserbüffeln, die irgendwann auftauchen, wenn man die eindrucksvollen Bambushaine passiert hat. Diese sind teilsweise über 15 Meter hoch und bieten ein unvergessliches Klangerlebnis. Erst in der Stille des Flusses hört man ihre leise summende, rhythmisch lautmalerische »Bambus-Melodie«, die vom Wind als »Maestro-Dirigent« der Natur angefacht wird. Ein paar Kajak-Minuten weiter begegnet uns überraschend ein Fischer mit imposantem brustlangem Kinnbart und zwei riesigen Kormoranen auf den Schultern. »Diese ungeheuerlichen Reiher werden im Bezirk Guilin noch ganz traditionell zum Fischfang eingesetzt«, erzählt unser Guide.

Unvergesslich bleibt ein Besuch bei der alten Reisbäuerin Wang Da Mei. Sie ist eine glühende Verehrerin von Mao. In ihrem kleinen Holzhaus hat sie für den einstigen Herrscher Chinas sogar einen ganz persönlichen Gedenkschrein eingerichtet: »Mao verdanken wir Südchinesen unser Ackerland,« betont die Energie geladene 75-Jährige, die jeden Tag auch bei größter Hitze ihr Reisfeld bestellt. Zum Abschied schenkt sie uns eine saftige Mandarine und zeigt ihren Garten vor dem Haus, in dem sie Wasserkartoffeln und Melonen anbaut.

Bambusflöten und Reisterrassen

Nahe dem Ufer der malerischen Flusslandschaft von Yangshuo sollte man abends nicht den Besuch eines der weltweit imposantesten Naturtheater verpassen. Die Inszenierungen von Zhang Yimou, bekannt durch die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2008, gelten als das Bayreuth von China. Wir sind begeistert, Hunderte von Protagonisten auf der Bühne mit choreographischer Rafinesse erleben zu können. Im gut hundert Kilometer entfernten Longsheng erwartet uns wieder die traditionelle Seite der Provinz. An der Endhaltestelle der regionalen Überlandbusse hört man zarte Töne des Bawu. Diese Bambus-Holzquerflöte wurde im Südwestchinas erfunden - von ethnischen Minderheiten wie den Yao. Die Frauen der Yao hoffen als Gepäckträgerinnen auf tragemüde Touristen, die ihnen zu einem wichtigen Nebenerwerb verhelfen. Auf einer zweistündigen Wanderung hoch zu den terrassierten Reisfeldern, die vor über 700 Jahren in der Yuan-Dynastie angelegt wurden, treffen wir die 50-jährige Pan Da Mei. Wie alle Frauen ihres Stamms ist sie stolz auf ihr meterlanges Haar, das traditionell zu einem kunstvollen Turban hochgesteckt wird: »Das ist bei uns ein Symbol für langes Leben,« erzählt Pan Da Mei und schenkt uns ein wunderbares Lachen. Ihre fast bis ans Knie reichende Haarpracht zeigt sie uns gern für ein Erinnerungsfoto, um dann wieder leichten Fußes in ihr Bergdorf hinab zu steigen. Wir folgen und staunen: Auch hier in dem entlegenen Dorf hat längst der »Made-in-China-Effekt« Einzug gehalten. An versteckten Wäscheleinen entpuppt sich dort manch eine der vermeintlich üppigen Haarprachten der Yao-Frauen als synthetische Perücke . . .

Informationen

  • Fremdenverkehrsamt der VR China, Ilkenhansstrasse 6, 60433 Frankfurt am Main. Tel. 069/52 01 35, Internet: www.china-tourism.de
  • Rundreisen durch Guilin werden u.a. von China Tours angeboten: Tel.: 040 - 81 97 38-0, Internet: www.chinatours.de
Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.