Linearer Tarif soll Sparen helfen

Verbraucherschutzminister tun sich schwer mit Stromversorgung für sozial schwache Kunden

  • Marlene Grund und Dirk Baas (epd)
  • Lesedauer: 3 Min.
Überschuldeten Kunden soll künftig nicht mehr so leicht der Strom gekappt werden. Das haben die Verbraucherschutzminister in Hamburg beschlossen. Noch ist unklar, welche Technik zum Ziel führt. Konkrete Beschlüsse stehen erst 2013 an.

Wer seine Energiekosten nicht mehr bezahlen kann, dem droht eine Stromsperre. Verbraucherverbände schätzen, dass 2011 bis zu 800 000 Haushalten in Deutschland der Strom abgestellt wurde - meist armen Haushalten, Rentnern mit wenig Geld oder Empfängern von Sozialleistungen. Die Verbraucherschutzminister der Länder und des Bundes wollen das Abdrehen des Saftes eindämmen. Hierzu soll ein ganzes Bündel von möglichen Maßnahmen geprüft werden. Konkrete Vorschläge sollen aber erst auf der nächsten Ministerkonferenz 2013 beraten werden.

Vor den Beratungen der Minister am vergangenen Freitag hatte die saarländische Ministerin Anke Rehlinger (SPD) darauf gedrängt, dass es Alternativen zu Stromsperren geben muss. Strom als Teil der Grundversorgung müsse auch bei Zahlungsausfällen für besonders schutzwürdige Gruppen fließen, für Kinder, für behinderte und kranke Menschen, fordert die Politikerin. Sie sollen nicht ohne Licht, Herd und Kühlschrank leben müssen.

Zu teuer für kleine Einkommen

Im saarländischen Völklingen, einer Stadt mit hohem Anteil an Ausländern und sozial schwachen Familien, sperrten die Stadtwerke im vergangenen Jahr 600 Zähler ihrer 25 000 Kunden. »Energie ist mittlerweile zu teuer für kleine Einkommen und politisch wird nicht gegengesteuert«, sagt Thomas Nowack, Abteilungsleiter der Kundenbetreuung. Besonders hart trifft es die Hartz-IV-Bezieher, die den teurer werdenden Strom aus ihrem Regelsatz von 374 Euro pro Erwachsenem zahlen müssen. Sozial schwache Familien und Rentner sind die größte Schuldnergruppe der Stadtwerke Völklingen.

Der Energieversorger legt Wert auf die Feststellung, dass bei Stromsperren stets korrekt und sozial vorgegangen werde. Gesperrt werde nur nach mehrmaliger Mahnung: »Wir bieten Ratenvereinbarungen, zinslose Darlehen, sogar Zielvereinbarungen.«

Dagegen schwören die Energieversorger auf Prepaid-Zähler. In Völklingen werden derzeit rund 1000 Zähler in sozialen Brennpunkten auf Vorauszahlung umgerüstet, möglich gemacht an einem Schalter in der Innenstadt. In den Zähler muss eine zehnstellige Kennziffer eingetippt werden. Ein kleiner PC am Zähler informiert über Verbrauch, Guthaben und Altschulden. Und: Der Strom laufe nie an Wochenenden oder Feiertagen aus, wenn keine Zahlungsmöglichkeit besteht, so Nowack. Erfahrungen aus anderen Kommunen belegten, dass Prepaid-Zähler bei den Kunden gut ankommen, weil sie den Verbrauch gut kontrollieren können. Allerdings verhindert kein Prepaid-Zähler, dass irgendwann wieder Kerzen und Gaskocher zum Einsatz kommen - wenn kein Geld mehr da ist, kann auch kein Strom gekauft werden.

Nach den Worten Hartloffs müsse die Verhältnismäßigkeit bei Strom- und Heizungssperren genauer geprüft werden. Wer krank im Bett liege und auf medizinische Geräte angewiesen sei, müsse immer mit Strom und Wärme versorgt werden. Gleiches gelte für Familien mit kleinen Kindern. Eine Mitteilungspflicht bei den Behörden, wie sie bei Räumungsklagen heute schon verlangt wird, könnte auf Strom- und Heizungssperren ausgeweitet werden, sagte der Minister in Hamburg.

Mehrere deutsche Nachbarländer setzen auf Sozialtarife im Kampf gegen Energiearmut. Belgien gilt hier als Primus, der mit ausgeklügelten Regelungen arme Bürger schützt. Bedürftigen steht eine Strommenge von 600 Kilowattstunden kostenlos zu. Eine ähnliche Regelung gibt es für den Gasbezug. Zudem existieren Sozialtarife, bei den denen keine Grundgebühr verlangt wird, und es wird stets der günstigste Marktpreis berechnet.

Bundesregierung soll prüfen

Dass eine andere Tarifpolitik einen Weg aus dem Übel weisen könnte, haben auch die Verbraucherschutzminister erkannt. Die Einführung von linearen Tarifen ohne Grundbetrag könne die Haushalte motivieren, mehr Energie und damit auch Kosten zu sparen, sagte Hartloff. Deshalb beschloss die Ministerrunde: Die Bundesregierung soll die Einführung von linearen Stromtarifen prüfen.

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