Tödliche Strukturprobleme

Fabrikbrand in Pakistan ist Beispiel für Bedingungen in Textilindustrie

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Fast 300 Beschäftigte bei einem pakistanischen Zulieferer des deutschen Textildiscounters KiK sind tot. Der Grund sind auch die katastrophalen Arbeitsbedingungen in der Textilbranche insgesamt. Abkommen beispielsweise für den Brandschutz kommen nur schleppend voran.

Eine Woche nach dem Fabrikbrand mit fast 300 Toten in der pakistanischen Handelsmetropole Karachi ist klar: Die Firma Ali En-terprises hat für den deutschen Textildiscounter KiK produziert. Gewerkschafter des pakistanischen Dachverbandes NTUF schossen Fotos in dem ausgebrannten Gebäude, die Kleidung zeigen, die für den deutschen Markt bestimmt war.

Kurz nachdem die Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Clo-thes Campaign, CCC) in einer Mitteilung gestern die Verbindung zu KiK öffentlich machte, legte auch der Konzern eine Stellungnahme vor. Darin heißt es: »Wir sind zutiefst betroffen über dieses schreckliche Unglück und den tragischen Tod so vieler Menschen. Wir können bestätigen, dass in der Fabrik in Karachi u.a. auch für KiK Jeanswaren produziert wurden.« Weiter versichert KiK, dass bereits seit letzter Woche am Aufbau eines Hilfsfonds für Hinterbliebene und Verletzte gearbeitet werde. Die Mitteilung habe ihn überrascht, sagte CCC-Koordinator Lars Stubbe. »Das hätten sie auch letzte Woche schon mitteilen können.«

Wie es zu der Katastrophe kam, könne man sich noch nicht erklären, schrieb das Unternehmen weiter. »Grundsätzlich verpflichtet KiK alle Lieferanten auf die Erfüllung und Einhaltung elementarer Arbeitsrechte und Sicherheitsstandards. Diese Verpflichtung wird von externen, unabhängigen und akkreditierten Zertifizierungsunternehmen geprüft.« Der letzte Bericht vom 30. Dezember 2011 bestätige die Einhaltung der Brandschutzbestimmungen. Die CCC kritisiert diese Praxis. Oft seien die in den Berichten formulierten Anforderungen ungenügend, so Stubbe.

Der Brand in Karachi ist nur ein Beispiel für die Bedingungen in der Textilindustrie - wenngleich ein besonders schlimmes. Johann Rösch vom Bundesfachbereich Handel bei ver.di sagt gegenüber »nd«: »Die Probleme gibt es in Pakistan ebenso wie in Bangladesch, Sri Lanka und anderen Ländern.« Im letzten Jahr besuchte er mit Betriebsräten von H&M, Zara und Real legale wie illegale Fabriken in Bangladesch. »Die Sicherheitsstandards waren oft unterirdisch«, sagt der Gewerkschafter.

Rösch kämpft auch für die Umsetzung des Programms der US-amerikanischen Phillips-Van-Heusen Corporation (PVH), einem der größten Textilkonzerne weltweit. PVH hatte im März gemeinsam mit NGOs und Gewerkschaften erklärt, sich um die Umsetzung internationaler Arbeitsschutzbestimmungen kümmern zu wollen. Allerdings hatte PVH das Programm und dessen Finanzierung davon abhängig gemacht, dass sich mindestens drei große europäische Textilkonzerne beteiligen. Doch das ist bislang nicht geschehen. H&M als zweitgrößter Produzent in Bangladesch startete eine Kampagne für den Brandschutz. »Dass das mehr als PR ist, glaube ich erst, wenn für die Beschäftigten konkret etwas getan wird«, sagt Rösch und spricht von »Schönfärberei«. Rösch unterstützt die Forderungen, die Beschäftigte im Rahmen des internationalen Bildungsnetzwerks TIE erarbeitet haben.

Das PVH-Brandschutzabkommen müsse umgesetzt werden, die Mindestlöhne in der Textilbranche der asiatischen Staaten müssten steigen. Außerdem müsse die Gewerkschaftsfreiheit gewahrt werden und letztens müssten Zulieferketten transparent gemacht werden, damit sich Unternehmen bei Katastrophen wie der jüngsten nicht mehr hinter Subunternehmen verstecken können. Mit einer neuen Kampagne, die noch in dieser Woche vorgestellt werden soll, wollen ver.di, TIE und andere die Forderungen voranbringen.

Denn es ist auch nicht so, dass die Probleme alleine die Billighersteller wie KiK betreffen. Auch viele Hersteller teurer Sportmarken lassen zu Schnäppchenpreisen produzieren. Das Ausnutzen der Armut in asiatischen und afrikanischen Staaten ist »ein strukturelles Problem der Zulieferketten in einem globalisierten Kapitalismus«, sagt Lars Stubbe - und mit schönen Absichtserklärungen wird man dem nicht beikommen.

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