Beängstigende Satire
Frankreich schließt Botschaften wegen Mohammed-Karikaturen der »Charlie Hebdo«
Als Reaktion auf die gewalttätigen Ausschreitungen in mehreren arabischen Ländern nach der Verbreitung des islamfeindlichen Videos über den Propheten Mohammed im Internet hat die französische Satirezeitschrift »Charlie Hebdo« am Mittwoch eine Serie neuer Mohammed-Karikaturen veröffentlicht. Das Blatt rief damit in Erinnerung, wie nach dem Nachdruck der dänischen Mohammed-Karikaturen im November 2011 das Redaktionsgebäude von Islamisten in Schutt und Asche gelegt worden war. Damit es diesmal nicht so weit kommt, hat ein gepanzerter Polizeibus vor dem Haus Stellung bezogen.
Am Mittwochmorgen war an den Kiosken in Paris kein Exemplar der »Charlie Hebdo« zu bekommen. Die Redaktion selbst teilte mit, alle 75 000 Ausgaben seien bereits vergriffen. Nun würde eine Sonderauflage gedruckt, die am Freitag im Verkauf sein soll. Die Internetseite des Magazins war am Mittwoch nicht zu erreichen. So ist in der breiten Öffentlichkeit zunächst nur das vergleichsweise harmlose Spottbild von der Titelseite bekannt geworden. Darauf schiebt - in Anlehnung an den französischen Kinoerfolg »Intouchables« (Ziemlich beste Freunde) - ein Jude einen Araber im Rollstuhl und sagt: »Nur nicht lustig machen!« Die anderen Karikaturen sollen den Propheten nackt und in anderen erniedrigenden Posen zeigen.
Nach einer Demonstration von 200 bis 300 aufgebrachten Muslimen am vergangenen Sonntag rechnet man für das kommende Wochenende mit neuen Aktionen. Eine von verschiedenen islamischen Organisationen für Sonnabend in Paris beantragte Demonstration ist von Premierminister Jean-Marc Ayrault verboten worden, doch damit dürften es radikale Kräfte unter den französischen Muslimen nicht bewenden lassen.
Weil Protestaktionen auch im Ausland zu erwarten sind, hat Außenminister Laurent Fabius angeordnet, in 20 arabischen Ländern oder solchen mit islamischer Bevölkerungsmehrheit die französischen Botschaften, Konsulate, Kulturzenten und Schulen am Freitag, dem islamischen Bettag, geschlossen zu halten. Wie andere seiner Ministerkollegen hat auch Fabius die Meinungsfreiheit, auf die sich die »Charlie Hebdo« beruft, verteidigt. Gleichzeitig fragte er, ob es in der gegenwärtigen Lage »wirklich nötig war, diese Karikaturen abzudrucken und damit noch Öl ins Feuer zu gießen«. In diesem Sinne haben sich auch der oberste islamische Würdenträger Frankreichs, Dalil Boubakar, und der Präsident des Dachverbandes der jüdischen Organisationen, Richard Prasquier, geäußert.
Als »unvernünftig«, »kontraproduktiv«, »verantwortungslos« und »extrem gefährlich« wurde das Verhalten der »Charlie Hebdo« von Politikern verschiedener Parteien sowie von Prominenten der Kultur charakterisiert. Beifall hat das Satiremagazin nur von der rechtsextremen Front National bekommen, deren Parteivorsitzende Marine Le Pen frohlockt, dass sich »die Islamisten durch ihre gewalttätigen Reaktionen selbst demaskieren und die von ihnen ausgehende Gefahr somit für alle Franzosen deutlich zutage tritt«.
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