Reiche sollen blechen
Das Bündnis Umfairteilen startet Aktionen für eine Neuaufteilung des gesellschaftlichen Vermögens
»Das Echo ist stärker, als wir es zu hoffen gewagt haben«, erklärte Jutta Sundermann vom Attac-Koordinierungskreis bei einem Pressegespräch in Frankfurt am Main. Schon die Ankündigung des Aktionstages habe eine hektische Betriebsamkeit bei politischen Akteuren und lebendige Talkshow-Debatten ausgelöst. Die Veröffentlichung des Entwurfs eines Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung sei längst überfällig und bestätige inhaltlich die Forderungen des Umfairteilen-Bündnisses nach einer grundlegenden Neuaufteilung des gesellschaftlichen Reichtums. In Hessen zeichnet sich ein von allen Fraktionen getragener Landtagsbeschluss zur von der Linksfraktion angeregten Erhöhung der Grunderwerbssteuer von derzeit 3,5 auf 5 Prozent ab.
Die Ungleichverteilung im Land habe dramatische Formen angenommen, beklagte Sundermann. In einem der reichsten Länder der Erde besitze die Hälfte der Menschen ein Prozent des privaten Vermögens und damit faktisch nichts, während wenige Menschen ein Milliardenvermögen unter sich aufteilten. »Verschuldete Kommunen verlieren ihre Budgethoheit, schließen Schwimmbäder und Bibliotheken oder suchen Auswege im Verkauf öffentlicher Infrastruktur«, sagte Sundermann. Angesichts zunehmender Ungleichheit in Europa operiere Bundeskanzlerin Angela Merkel mit »veralteten Politikkonzepten«, die nicht aus der Krise hinausführten.
Mittlerweile hätten sich mehrere Dutzend örtliche Ableger des Bündnisses gebildet, die in den Mittagsstunden des 29. September dezentral auf Straßen und Marktplätzen für ihr Anliegen werben werden. Die fünf Schwerpunktkundgebungen finden in Berlin, Hamburg, Bochum, Köln und Frankfurt am Main statt.
In der Mainmetropole werden ver.di-Chef Frank Bsirske, Ricardo Bellera vom spanischen Gewerkschaftsbund Comisiones Obreras (CCOO) aus Frankfurts Partnerstadt Barcelona sowie der Limburger Caritas-Direktor Hajo Manderscheid auftreten. Die Demonstration soll auch auf dem Platz vor der Europäischen Zentralbank einen Zwischenstopp einlegen. Mit dabei sein werden nach eigenen Angaben Aktivisten des Anfang August von der Polizei geräumten Occupy-Camps.
Ver.di, die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die Bildungsgewerkschaft GEW und die DGB-Jugend sind die einzigen DGB-Mitgliedsorganisationen bzw. Gliederungen, die auf Bundesebene zum Aktionstag aufrufen. Auf der regionalen Ebene ist der Zuspruch wesentlich stärker. So ruft auch der DGB-Bezirk Hessen-Thüringen zur Teilnahme auf. Ein entsprechender Beschluss sei im zuständigen Vorstand einstimmig gefasst worden, bestätigten Insider auf nd-Anfrage. Aus den Reigen der IG Metall haben sich bundesweit bislang mehrere Dutzend Verwaltungsstellen dem Aufruf angeschlossen.
Als Riesenfortschritt gegenüber früheren Zusammenschlüssen bewerten viele Akteure die außergewöhnliche Breite des Bündnisses und die engagierte Mitwirkung der großen Wohlfahrtsverbände Paritätischer Gesamtverband, Arbeiterwohlfahrt, Sozialverband Deutschland, Sozialverband VdK und Volkssolidarität. Insider führen dies auf öffentliche Mittelkürzungen und eine dramatische Zuspitzung der Zustände im Sozialbereich ebenso zurück wie auf eine jahrelange geduldige Zusammenarbeit auf anderen Ebenen. So hatten sich schon Anfang 2011 Aktivisten der Arbeiterwohlfahrt gemeinsam mit ver.di- und GEW-Mitgliedern in Hessen im Vorfeld einer Volksabstimmung gegen die von CDU, FDP, Grünen und SPD unterstützte Verankerung einer Schuldenbremse in der Landesverfassung engagiert. Der 29. September werde »Auftakt und nicht Ende« der Aktivitäten sein, versicherte Hessens ver.di-Landeschef Jürgen Bothner. Vor den im kommenden Herbst anstehenden Bundestags- und Landtagswahlen müsse der Druck in Richtung Politikwechsel erhöht werden.
Das Bündnis: Umfairteilen besteht auf Bundesebene aus über 20 Organisationen. Attac, viele Sozialverbände, Gewerkschaften bis hin zur Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe beteiligen sich.
Die Aktionen: Am 29. September ruft das Bündnis bundesweit zu Demonstrationen auf. Geplant sind Kundgebungen unter anderem in Berlin, Frankfurt am Main, Köln und Hamburg.
Die Forderungen: Umfairteilen fordert eine dauerhafte Vermögensteuer sowie eine einmalige Vermögensabgabe für reiche Haushalte. Darüber hinaus fordert es eine schärfere Verfolgung von Steuerflucht und eine Steuer auf Finanzmarktgeschäfte. nd
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