Netzausbau ohne Bürger?

Hubert Weiger ist Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Der BUND hat die Planung für neue Stromnetze scharf kritisiert. Was erhofften Sie sich vom Start der Bürgerbeteiligung 2011?
Weiger: Grundsätzlich ist unsere Forderung, dass wir endlich zu einer transparenten Netzplanung kommen, das heißt, dass Daten auch in einer anderen Qualität öffentlich werden - einschließlich einer Begründung, warum neue Leitungen konkret nötig sind. Zweitens wollten wir, dass Alternativen geprüft werden, zum Beispiel die Optimierung vorhandener Leitungen.

Und jetzt, ein Jahr später?
Es hat sich trotz vieler qualifizierter Stellungnahmen praktisch nichts getan. Das ist absolut defizitär und unbefriedigend, denn es hilft der Umwelt und den Menschen nicht, wenn Alternativen nur theoretisch bestehen und keine praktischen Auswirkungen haben.

Die Netzbetreiber haben die öffentliche Konsultation zum Netzentwicklungsplan maßgeblich durchgeführt. Ist das stimmig?
Die Netzbetreiber haben natürlich eigene wirtschaftliche Interessen, und die müssen nicht mit der Versorgungssicherheit oder den Interessen einer ökologischen Energiewendepolitik identisch sein. Aber es geht hier doch um eine öffentliche Infrastrukturaufgabe, die letztlich dem Gemeinwohl verpflichtet sein muss. Deshalb müssen Staat und Bundesländer viel stärker in den gesamten Prozess eingreifen. Und wenn die Netzbetreiber belegen wollen, warum es keine Alternativen gibt, muss die Bundesnetzagentur als öffentlich-rechtliche Agentur Wissenschaftler beauftragen, diese Alternativen zu prüfen. Wir kommen als Umweltverband nicht an die Daten, die sind weitgehend unter Verschluss.

Der Netzentwicklungsplan liegt noch bis Anfang November öffentlich aus. Warum müssen Sie da mittendrin die Reißleine ziehen?
Wesentliche Ziele der Energiewende könnten durch die Netzplanung wieder ausgehebelt werden. Das wird der Fall sein, wenn nicht in bisherigen Regionen Strom produziert wird, sondern in vielen Regionen. Wenn wir nicht nur Offshore-Windstrom vor der Küste produzieren, sondern z.B. mehr Windstrom in Süddeutschland, reduziert das natürlich den Leitungsbedarf von Nord nach Süd gewaltig. Gleichzeitig können Biogasanlagen im Süden mit der Leistung von zwei AKW genau dann Strom produzieren, wenn er benötigt wird. Dezentralität in der Stromproduktion muss sich im Netz widerspiegeln. Die Netzbetreiber gehen aber von zentralistischen Annahmen aus, die schon heute nicht mehr zutreffen.

Was passiert, wenn der Netzausbau weiter ohne Rücksicht auf Einwände durchgezogen wird?
Wir setzen darauf, dass sich der Druck auf die Netzagentur erhöht, wenn die Diskussion über den Bedarfsplan beginnt. Sollten wir jedoch am Jahresende mehr oder weniger mit dem gleichen Plan konfrontiert sein, wird es sicher zu massiven politischen Problemen im Bundestag kommen. Wir wollen öffentliche Anhörungen, um darauf hinzuweisen: Wir haben ein gutes Gesetz, das aber nicht optimal vollzogen wird, weil es Interessen der Energiemonopolisten zuwider läuft. Dann muss der Bundestag entscheiden, ob er den Netzausbau im Wahljahr so durchwinkt. Wenn sich dann noch immer nichts getan hat, werden wir das zu einem zentralen Wahlkampfthema machen, denn alle Menschen sind von den intransparenten Ausbaukonzepten betroffen.

Fragen: Andreas Schug

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