Explosion im Spreewald - großer Knall, wenig Echo

Vier Tote und ein halb zerstörtes Werk, das so unscheinbar und friedlich wirkte

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Presseleute haben es schwer, nicht einmal Fotografen haben Zutritt. Am Dienstag ereigneten sich zwei schwere Explosionen im Spreewerk Lübben. Über möglichen Ursachen liegt der Mantel des Schweigens. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit gestern.
Der erste Knall ereignete sich am Dienstag gegen 13.20 Uhr, ein zweiter folgte, so vermerkten es Anwohner, 55 Minuten später. Nur kurze Zeit danach äußerte sich Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm(CDU) vor Ort »erschüttert«. Das kann man ihm abnehmen, denn als ehemaliger Bundeswehrgeneral kann er die verheerende Wirkung einer Explosion in einem Munitionslager beurteilen. Von den dicken, erdbedeckten Betonbunkern ist nichts übrig, schwere Teile flogen bis zu vierhundert Meter weit. Die Identifizierung der Toten - Beschäftigte des Spreewerkes zwischen 26 und 59 Jahren - war kompliziert. Rettungskräfte und die Ermittler der LKA-Tatortgruppe fanden nur wenige Körperteile. Man muss davon ausgehen, dass sich die Opfer in und vor einem Bunker aufhielten, in dem Fliegerbomben gelagert waren. Laut Vorschrift ist die Anzahl auf sechs beschränkt. Umso gewaltiger muss ihr Kaliber gewesen sein. Verbal brüstete sich die Potsdamer Landesregierung dann und wann damit, das Spreewerk sei ein herausragendes Beispiel gelungener Konversion. Nun bietet die Explosion Anlass, etwas interessierter nach der Tätigkeit des Spreewerkes zu fragen. Zu DDR-Zeiten wurde hier vor allem Munition für Schützen- aber auch Kleinkaliberwaffen gefertigt. Nach der Auflösung der NVA sowie der so genannten Schutz- und Sicherheitsorgane der DDR lag es nahe, dass man die Maschinen rückwärts laufen ließ. Das meint, all das zu entsorgen, was nicht weiter zu verwenden oder zu Geld zu machen war. Ähnliches geschah im NVA-Lager Vogelsang unweit des sächsischen Torgau sowie bei Neubrandenburg, wo sich die spätere Pleitefirma Buck hervortat. Das Spreewerk offeriert, Munition aller Kaliber, Raketen, Minen, Bomben aller Art, Pyrotechnik, Brandmittel wie Napalm aber auch Sport- und Jagdmunition sowie Auto-Gurtstraffer vernichten und verwerten zu können. Immer wieder kamen Delegationen vor allem aus ehemaligen Ost-Block-Staaten, um sich das Know how der Brandenburger zu beschauen, das auch alle notwendigen und streng-deutschen Umweltzertifikate beinhaltete. Mit einigem Stolz gibt das Spreewerk unter Fachleuten als Referenzen nicht nur die Bundeswehr, die NATO und UN-Blauhelmtruppen, sondern auch Neutrale wie die Schweiz und Schweden an. Und - man staune - die US-Army und die US-Air-Force gehören zu den besten Kunden. Der Rest ist auch hier Schweigen. Wer hartnäckig genug fragt, erfährt, dass man im Spreewerk Landminen der US-Armee vernichtete. Die mussten aus den Arsenalen, weil die »dummen« Tretwaffen durch »intelligentere« Systeme ersetzt wurden oder vernichtet werden mussten, weil ihr Besitz der nach jahrzehntelangem Ringen erreichten internationalen Konvention widersprach. Nicht anders verhält es sich mit so genannten Clusterbomben. Dass sie geltendem Völkerrecht nicht entsprechen, weil sie gnadenlos und undifferenziert Zivilisten morden, steht außer Zweifel. Im Spreewerk vernichtete man unter anderem US-Waffen, die überlagert waren, weil sie im Kosovokrieg nicht mehr zum Einsatz kamen. Die Dinger mochte man im Spreewerk nicht sonderlich - erstens wegen ihres militärisch sehr zweifelhaften Wertes und zweitens, weil sie ungeheuer viel Papierkram provozieren. Da sich jede Bombe nach dem Abwurf in viel kleine zerlegt, muss für jeden vernichteten Explosivkörper ein eigenes Formular ausgefüllt werden. Dass die Spreewerker munter weiter delaborieren konnten, als vergleichbare Firmen bereits rote Zahlen schrieben, hat unter anderem damit zu tun, dass die zu entsorgende Munition sogar aus Übersee herangefahren wurde. Kein Zufall, denn die Treuhand hatte das Spreewerk 1992 - so wie andere auf Militärbedarf spezialisierte Brandenburger und sächsische Betriebe - an General Atomics verkauft. Der US-Global-Player hat seinen Sitz im kalifornischen San Diego, sein Name zeigt eine wesentliche Ausrichtung. Man findet ihn aber ebenso auf dem Elektronik-, dem Chemie-, dem Medizinsektor. Hier zu Lande weniger bekannt ist, dass der Konzern, der im Brandenburgischen so intensiv Munition vernichtet, auch anderes kann. Auf dem Rüstungssektor scheffelt man enorme Profite. Wenn man mal wieder eine Meldung darüber liest, dass eine unbemannte CIA-Drohne in Afghanistan, in Jemen und demnächst vielleicht in Irak Menschen killt, dann darf man sich an den Hersteller der Mordwerkzeuge erinnern: General Atomics...
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