Neuer Krach unterm DKV-Dach

Erfolgreicher Frauen-Coach entlassen - Fristlose Kündigung des Frauen-Bundestrainers Ralf Zeidler sorgt für Zoff

Erst wirft Birgit Fischer, Deutschlands erfolgreichste Olympionikin aller Zeiten, vor einer Woche ihren Job als Nachwuchs-Bundestrainerin im Deutschen Kanu-Verband (DKV) hin und lehnt eine Verlängerung ihres Vertrages über den 1. Februar 2003 hinaus ab, nun kommt der zweite Paukenschlag aus dem DKV, einem der erfolgreichsten olympischen Sommersportverbände: die überraschende fristlose Kündigung des Frauen-Bundestrainers Ralf Zeidler. Der Dresdner steht im Ruf als »Erfolgscoach«, der die deutschen Rennkanutinnen unter seiner Führung seit 1994 zu drei Olympiasiegen und zehn WM-Titeln führte. Sportliche Gründe für Zeidlers Entlassung dürfte es also kaum geben. Welche aber dann? Schon mehrfach abgemahnt »Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun«, versuchte DKV-Generalsekretär Wolfgang Over gegenüber ND die beiden »Fälle« Fischer (Vertragsauflösung von sich aus) und Zeidler (fristlose Kündigung durch den Verband) strikt voneinander zu trennen. »Im Fall Zeidler geht es um eine lange vertragswidrige Geschichte des Bundestrainers, die sich der Verband nicht mehr länger gefallen lassen konnte.« Over sprach von »mehrfachen Verstößen gegen den Arbeitsvertrag«, wollte aber nicht in Details gehen und verwies - sozusagen zuständigkeitshalber - auf den Justiziar des Verbandes, Ulrich Clausing. Der Volljurist Clausing äußerte gegenüber ND, dass allein schon der Schritt des Verbandes zu einer außerordentlichen Kündigung auf die »Schwere des Vorgangs« hinweist und betonte: »Es hat im Vorfeld seitens des DKV viele Versuche gegeben, mit Herrn Zeidler ins Reine zu kommen. Aber seit über einem Jahr gibt es eine Entwicklung, die auf Vertragsbruch hinausläuft. Es hat deshalb wiederholt arbeitsrechtliche Abmahnungen gegenüber Herrn Zeidler gegeben, weil sein Handeln und Arbeiten im Widerspruch zu seinem Arbeitsvertrag standen. Es geht also um konkretes individuelles Fehlverhalten. Ich will angesichts des schwebenden Arbeitsrechtsprozesses keine weiteren Details in die Öffentlichkeit tragen. Nach so vielen persönlichen Gesprächen konnte das Präsidium es nicht länger hinnehmen, dass Herr Zeidler dem Verband auf der Nase herumtanzt.« Dauer-Fehde mit dem Chefcoach Allerdings: Es ist ein offenes Geheimnis, dass es nicht erst seit heute eine Dauer-Fehde zwischen Zeidler und dem Chef-Bundestrainer Josef Capousek gibt. »Wenn sich der Cheftrainer und der Frauentrainer nicht grün sind, dann ist das in jedem Fall nicht gut«, entgegnete Clausing, widersprach aber, dass darin der Grund für die fristlose Kündigung bestanden habe. »Der arbeitsrechtliche Schritt hat nichts mit Dritten zu tun.« Der DKV-Sportdirektor Jens Kahl wurde schon etwas deutlicher, als er von »unüberbrückbaren Problemen der Zusammenarbeit«, sprach und dies auch als Grund für die Kündigung des Erfolgscoachs bezeichnete. Er schloss aber zugleich mit Nachdruck aus, dass die Dauer-Fehde Cheftrainer kontra Bundestrainer der wahre Hintergrund der Kündigung gewesen sei. Aufschlussreich ist indes die Äußerung des DKV-Präsidenten Ulrich Feldhoff gegenüber dpa: »Indirekt hat es schon damit zu tun.« Wohl wissend, dass unter den Athleten schon lange gemunkelt wird, dass Zeidler nicht wohl gelitten war, weil er angekündigt hatte, »einige Dinge aufzudecken«, die für den Verband unangenehm sein könnten. Feldhoff bestätigte wiederum, dass sich die Staatsanwaltschaft seit Monaten mit angeblichen »Ungereimtheiten bei Abrechnungen des Chefcoachs« beschäftigt. »Wir haben zwei interne Überprüfungen durchgeführt und keine Beweise gefunden. Ich will die Wahrheit wissen.« Sind Mauscheleien im Spiel? Der vorerst arbeitslose Ralf Zeidler kündigte inzwischen an, juristisch gegen die Kündigung vorzugehen. »Wir reichen eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht ein«, bestätigte sein Anwalt Horst Renninghoff aus Hamm und sieht gute Chancen, weil vom DKV die 14-Tage-Frist zwischen Anlass und Aussprechen der Kündigung nicht eingehalten wurde. Zeidler wollte angesichts des schwebenden Verfahrens keine Details nennen, reagierte aber auf den Vorwurf des »Vertrauensbruchs« mit dem Hinweis: »Es haben doch alle gewusst, dass mit den Abrechnungen etwas nicht in Ordnung ist. Aber offenbar ist niemand interessiert, die Dinge beim Namen zu nennen. Keiner traut sich den Mund aufzumachen aus Angst um den Arbeitsplatz.« Gibt es also doch irgendwelche »Mauscheleien«, die zum Zerwürfnis zwischen dem Chef- und Bundestrainer führten? Außerdem wirft Zeidler Capousek vor, nur ein Organisationschef zu sein und beklagt: »Trainingsmethodisch ist von ihm nichts zu erwarten.« Kehrt Birgit Fischer zurück? »Es ist eine Schande, dass der DKV uns über seine Schritte nicht informiert«, reagierte die Potsdamer Olympiasiegerin Manuela Mucke verärgert auf die Entscheidung des Verbandes. »Wir wissen nicht, wie es weitergehen soll. Wir haben Zeidler viel zu verdanken. Ein besseres Team konnte ich mir nicht vorstellen. Sicher war Zeidler manchmal ein Quertreiber, der nicht immer das gemacht hat, was der Cheftrainer wollte. Aber er hat stets für die Sportler gekämpft und war überaus erfolgreich, wie die Erfolge bei Olympia und WM belegen. Das wird jetzt vergessen.« Trotz der peinlichen Grabenkämpfe im DKV sieht der Verband der weiteren Entwicklung gelassen entgegen. DKV-Präsident Feldhoff kündigte sogar schon an: »Wir haben bereits einen Kandidaten im Blick, der sicher die Akzeptanz der Frauen finden wird. Natürlich wird die Stelle ordnungsgemäß ausgeschrieben.« Gemunkelt wird von Birgit Fischer als neuer Frauen-Bundestrainerin. »Eigentlich habe ich die Nase voll«, sagte sie, wollte aber nicht ausschließen, sich für den Job als Frauen-Trainerin zu interessieren. »Noch hat sich der DKV nicht bei mir gemeldet.«

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.